OGH: Zum Gerichtsstand des Vermögens nach § 99 Abs 1 JN
Wirkt im anzuwendenden Statut (hier: New Yorker Recht) die in einem anhängigen Schiedsverfahren erhobene Aufrechnungseinrede (des dort beklagten inländischen Klägers) nur prozessual, nicht aber materiell, ist dem Kläger für die Begründung des inländischen Vermögensgerichtsstands die Berufung auf die im ausländischen Schiedsverfahren geltend gemachte Gegenforderung nicht verwehrt
§ 99 JN, Art 17 ROM I-VO, § 29 JN
GZ 5 Ob 72/16y, 01.03.2017
OGH: Der Kläger kann sich nicht mit Erfolg auf den Vermögensgerichtsstand berufen, wenn er selbst behauptet, dass die als Vermögen des Beklagten angeführte Forderung gegen den Kläger nicht bestehe. Der Gerichtsstand des § 99 JN wird auch dann nicht begründet, wenn die Forderung des Beklagten schon nach dem Vorbringen in der Klage durch Aufrechnung erloschen ist oder wenn der Kläger das Erlöschen der Gegenforderung durch Aufrechnung zwar nicht ausdrücklich behauptet, sich Derartiges aber schlüssig etwa daraus ergibt, dass er einen der Höhe der Gegenforderung entsprechenden Betrag vom Klageanspruch abgezogen hat. Die Voraussetzungen und die (materiellen) Wirkungen der Aufrechnung sind nach dem anzuwendenden materiellen Recht („Aufrechnungsstatut“) zu beurteilen; das Aufrechnungsstatut richtet sich vorrangig nach der Parteienvereinbarung.
Hier haben die Parteien das Recht des Bundesstaats New York und für sämtliche Ansprüche und Rechtsstreitigkeiten iZm dem gegenständlichen Vertrag ein Schiedsgericht in New York vereinbart. Auch aus Art 17 ROM I-VO ergibt sich, dass sich das Aufrechnungsstatut nach dem Statut der Forderung richtet, gegen die aufgerechnet wird. Die Zulässigkeit und Wirkung der von der Klägerin im Schiedsverfahren als Gegenforderungen geltend gemachten Ansprüche sind damit sowohl in formeller als auch materieller Hinsicht nach New Yorker Recht zu beurteilen. Nach angloamerikanischem Recht handelt es sich bei der Aufrechnung um ein prozessuales Rechtsinstitut, das rein verfahrensrechtlich wirkt. Sie bedarf der Feststellung im Prozess, sodass allein die von der Klägerin im Schiedsverfahren abgegebene Erklärung, eine Gegenforderung zu erheben, nicht bewirkt, dass die Forderung der Beklagten bei Einbringung der Klage bereits erloschen gewesen wäre. Nachträgliche Änderungen sind nach § 29 JN unbeachtlich (perpetuatio fori).