OGH: Zur Mitwirkungspflicht vermeintlicher Halbgeschwister im Abstammungsverfahren
Erforderlich ist die Mitwirkung im Abstammungsverfahren gem § 85 Abs 1 AußStrG dann, wenn sie im konkreten Fall geboten ist
§ 85 AußStrG, Art 8 EMRK
GZ 9 Ob 3/17g, 24.03.2017
OGH: Gem § 85 Abs 1 AußStrG haben die Parteien und alle Personen, die nach den Ergebnissen des Verfahrens zur Aufklärung des Sachverhalts beitragen können, bei der Befundaufnahme durch einen vom Gericht bestellten Sachverständigen, insbesondere an der notwendigen Gewinnung von Gewebeproben, Körperflüssigkeiten und Blutproben, mitzuwirken, soweit es zur Feststellung der Abstammung erforderlich ist.
Bei den sog Statusklagen bedarf es zwar nicht eines besonderen rechtlichen Interesses an der Klageführung, weil das Gesetz schon aufgrund des Tatbestandes von einem solchen als unmittelbarem Ausfluss des allgemeinen Persönlichkeitsrechts ausgeht. Als erforderlich wird eine Blutabnahme dann angesehen, wenn sie zur Klärung des Sachverhalts offenbar notwendig ist. Erforderlich ist die Mitwirkung im Abstammungsverfahren gem § 85 Abs 1 AußStrG dann, wenn sie im konkreten Fall geboten ist.
Nach Art 8 Abs 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Familienlebens. Zur Entwicklung der Person gehört auch das Recht, notwendige Informationen über wesentliche Aspekte der eigenen Identität und der Eltern zu erhalten. Jedermann hat ein geschütztes Interesse daran, Auskünfte zu erhalten, die notwendig sind, die Kindheit und frühe Entwicklung zu verstehen. Dazu gehört auch die Möglichkeit der Gewinnung von Informationen über die Identität der Eltern. Beschränkungen des grundrechtlich geschützten Anspruchs müssen nach Art 8 Abs 2 EMRK gerechtfertigt werden; zur Prüfung ihrer Notwendigkeit ist eine umfassende Interessenabwägung nötig. Die Feststellung der Abstammung ist ein elementares Grundrecht jedes Menschen, welche nicht an der ungerechtfertigten Weigerung beteiligter Personen scheitern darf. Nach § 85 Abs 2 AußStrG besteht die Pflicht zur Mitwirkung iSd § 85 Abs 1 AußStrG nur dann nicht, soweit diese mit einer ernsten oder dauernden Gefahr für Leben oder Gesundheit verbunden wäre.