01.05.2017 Verfahrensrecht

VwGH: Zur Frage der Anwendung eines vom VfGH aufgehobenen Gesetzes

Die Aufhebung tritt nach dem eindeutigen Wortlaut des Art 140 Abs 5 3. Satz B-VG mit Ablauf des Tages der Kundmachung in Kraft


Schlagworte: Verfassungswidrigkeit, aufgehobenes Gesetz, Anwendung, Tatbestand, Kundmachung, Normwirkung, Bindungswirkung
Gesetze:

 

Art 140 B-VG

 

GZ Ra 2017/10/0009, 22.02.2017

 

VwGH: Der VfGH hob mit E vom 10. Dezember 2015, G 364/2015 und G 544- 548/2015-7, eine Wortfolge in § 13 Abs 1 Slbg MSG 2010 auf und sprach aus, dass die aufgehobene Bestimmung weiterhin auf die vor der Aufhebung verwirklichten Tatbestände mit Ausnahme des Anlassfalles anzuwenden ist. In der Revisionssache ist der verwaltungsbehördliche Bescheid erst nach diesem Erkenntnis des VfGH erlassen worden. Die Zulässigkeitsbegründung der Revision führt aus, dass in der Literatur die Ansicht vertreten werde, "dass die Wirkung der durch den VfGH ausgesprochenen Verfassungswidrigkeit kraft verfassungsrechtlicher Anordnung unmittelbar eintritt, dh schon vor der Normwirkung der Aufhebung, die erst durch die Kundmachung vermittelt wird". Diese Fundstelle behandelt die in Art 140 Abs 7 1. Satz B-VG normierte Bindungswirkung eines Ausspruchs des VfGH (insbesondere gegenüber dem VfGH selbst). Diese Bindungswirkung ist von der in Art 140 Abs 5 3. Satz B-VG festgelegten - für die Frage der Anwendung des aufgehobenen Gesetzes allein maßgeblichen - Aufhebungswirkung zu unterscheiden. Die Aufhebung tritt nach dem eindeutigen Wortlaut des Art 140 Abs 5 3. Satz B-VG mit Ablauf des Tages der Kundmachung in Kraft. Da im vorliegenden Fall die Kundmachung mit LGBl Nr 5/2016 am 29. Jänner 2016 erfolgt ist, trat die Aufhebung mit Ablauf dieses Tages in Kraft. Alleine dieses Datum ist ausschlaggebend für die Frage, ob ein Tatbestand, weil er vor oder nach diesem Datum verwirklicht wurde, anhand der als verfassungswidrig aufgehobenen oder der bereinigten Rechtslage zu beurteilen ist (vgl Art 140 Abs 7 2. Satz B-VG). Auf die bis einschließlich 29. Jänner 2016 verwirklichten Tatbestände mit Ausnahme des Anlassfalles ist daher das Slbg MSG 2010 in der aufgehobenen Fassung weiterhin anzuwenden. Für den vorliegenden Fall, bei dem es um die Leistungszeiträume September, Oktober und Dezember 2015 geht und der kein Anlassfall ist, ist die aufgehobene Wortfolge somit weiter anzuwenden. Er unterscheidet sich insofern nicht von dem mit Erkenntnis vom 24. Februar 2016, Ro 2016/10/0005, entschiedenen.