OGH: Zur Widmung einer Zahlung „auf die Gesamtansprüche der Familie des Getöteten“
Eine globale Widmung auf alle Forderungen aller Gläubiger ist denkbar; dabei überlässt der Schuldner den Gläubigern die Wahl, auf welche ihrer Ansprüche sie die Zahlung anrechnen wollen
§ 1416 ABGB, §§ 914 f ABGB
GZ 2 Ob 48/16x, 28.03.2017
OGH: Sofern Schuldner und Gläubiger keine Vereinbarung getroffen haben, welche von mehreren Schuldposten getilgt werden soll, gilt jene Schuld als abgetragen, die der Schuldner bezeichnet, es sei denn, der Gläubiger würde dagegen Widerspruch erheben. Die Erklärung des Schuldners kann ausdrücklich oder schlüssig erfolgen. Nur bei fehlender oder zweifelhafter Widmungserklärung greift die gesetzliche Tilgungsfolge des § 1416 ABGB ein. Die Verrechnung nach der Dispositivbestimmung des § 1416 ABGB setzt voraus, dass mehrere Schuldposten desselben Schuldners an den denselben Gläubiger in Frage stehen.
Leistet ein Schuldner mehrerer Gläubiger an einen gemeinsamen Empfänger, so ist § 1416 ABGB nicht anwendbar. In diesem Fall ist die Bestimmung des Gläubigers, der die Leistung erhalten soll, allein Sache des Schuldners. Er kann frei entscheiden, welchen der Gläubiger er befriedigen will. Über die Verrechnung der geleisteten Zahlungen entscheidet in erster Linie die vom Schuldner bei der Zahlung abgegebene Widmungserklärung. Die im Einzelfall gebotene Auslegung der Widmungserklärung erfolgt nach den allgemeinen Regeln der §§ 914 f ABGB. Maßgeblich ist der objektive Erklärungswert, also wie ein redlicher Empfänger der Erklärung diese unter Berücksichtigung aller Umstände verstehen musste.
Vorliegend hat die gegnerische Haftpflichtversicherung ihre Akontozahlung ausdrücklich, wenngleich unpräjudiziell, zur Anrechnung „auf die Gesamtansprüche der Familie des Getöteten“ gewidmet. Ein redlicher Erklärungsempfänger konnte diese Widmung durchaus dahin verstehen, dass der geleistete Betrag auf die Gesamtsumme aller berechtigten Ansprüche aller in Betracht kommenden und der Familie zugehörigen Gläubiger in Anrechnung gebracht, dh von dieser abgezogen werden soll. Eine globale Widmung auf alle Forderungen aller Gläubiger ist denkbar. Im konkreten Fall ist die Widmungserklärung dahin auszulegen, dass der Schuldner den Gläubigern die Wahl überließ, auf welche ihrer Ansprüche sie die Zahlung anrechnen wollen.