17.04.2017 Zivilrecht

OGH: Schadenersatz-Rechtsschutz – Eintritt des Versicherungsfalls gem Art 2.1 ARB 2003 iZm wertlosen Investments

Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, der Schaden sei bereits – nach dem Vorbringen des Klägers – mit dem Erwerb der behauptetermaßen wertlosen Anteile im Februar und Mai 2008 eingetreten, weshalb Vorvertraglichkeit vorliege, findet Deckung in der bestehenden oberstgerichtlichen Rsp und ist damit nicht zu beanstanden


Schlagworte: Versicherungsvertragsrecht, Rechtsschutz, Schadenersatz, wertloses Investment, Eintritt des Versicherungsfalls, Vorvertraglichkeit
Gesetze:

 

Art 2.1 ARB 2003, Art 3.1 ARB 2003

 

GZ 7 Ob 36/17w, 29.03.2017

 

Dem zwischen den Streitteilen bestehenden Rechtsschutzversicherungsvertrag liegen ua die Allgemeinen Bedingungen für die Rechtsschutzversicherung (ARB) 2003 zugrunde. Diese lauten auszugsweise:

 

„Art 2 Was gilt als Versicherungsfall und wann gilt er als eingetreten:

 

1. Bei der Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen gemäß Art 17.2.1.1, Art 18.2.1, Art 21.2.1 und Art 25.2.3 gilt als Versicherungsfall das dem Anspruch zugrundeliegende Schadenereignis. Als Zeitpunkt des Versicherungsfalls gilt der Eintritt dieses Schadenereignisses. […]

 

Art 3 Für welchen Zeitraum gilt die Versicherung?

 

1. Die Versicherung erstreckt sich auf Versicherungsfälle, die während der Laufzeit des Versicherungsvertrags eintreten. [...]“

 

 

OGH: Der Kläger erwarb am 24. 2. 2008 und am 6. 5. 2008 „I*****-Anteile“ am „I*****-Index“ im Gesamtwert von 16.000 EUR. Mit der Behauptung bei diesen von der I***** AG sowie der I***** Anstalt ausgegebenen Anteilen handle es sich um Betrugsprodukte, da die Gelder niemals veranlagt worden seien, beabsichtigt der Kläger die gerichtliche Geltendmachung eines deliktischen Schadenersatzanspruchs gegenüber R***** W*****, weil dieser als Verwaltungsrat der genannten Gesellschaften und als Konzessionsträger der Revisionsstelle der I***** AG, nämlich der F***** Treuhandanstalt *****, aufgrund der Verletzung seiner Aufsichts- und Prüfpflichten schuldhaft keinen Insolvenzantrag gestellt habe, obwohl die Konkurstatbestände schon zum Zeitpunkt des Investments des Klägers vorgelegen seien. Wären die Konkursanträge rechtzeitig gestellt worden, hätte der Kläger niemals ein entsprechendes Investment getätigt. Der Schaden bestehe im Erwerb dieses wertlosen Investments. Die vorliegende Klage ist darauf gerichtet, den beklagten Rechtsschutzversicherer schuldig zu erkennen, dem Kläger für die beabsichtigte Rechtsdurchsetzung Deckung zu gewähren.

 

Im Revisionsverfahren strittig ist die Frage der Vorvertraglichkeit (ob die vom Kläger geltend gemachten Versicherungsfälle vor oder nach dem Beginn des Versicherungsschutzes am 1. 2. 2009 eingetreten waren).

 

Der Kläger argumentiert, der Schadenseintritt sei erst mit Eröffnung des Konkurses über das Vermögen der genannten Gesellschaften im September 2009 erfolgt.

 

Die Ansprüche des Klägers fallen unter den Schadenersatz-Rechtsschutz, daher ist für den Eintritt des Versicherungsfalls Art 2.1 ARB 2003 maßgeblich. Nach dieser Bestimmung gilt als Versicherungsfall der Eintritt des dem Anspruch zugrundeliegenden Schadenereignisses. Der Versicherungsfall ist regelmäßig das Ereignis, das den Anspruch begründet hat. Dabei handelt es sich nicht um den Verstoß, sondern um das Folgeereignis, das mit dem Eintritt des realen Verletzungszustands gleichgesetzt wird. Der OGH hat allgemein ausgesprochen, dass – bei fehlerhafter Anlageberatung – der reale (zivilrechtliche) Schaden bereits durch den Erwerb der nicht gewünschten Vermögenswerte eintritt. In diesem Sinn hat der OGH zu 7 Ob 112/16w ausdrücklich zum Eintritt des Versicherungsfalls im Schadenersatz-Rechtsschutz klargestellt, dass beim Erwerb einer vermeintlich wertlosen Anleihe der (reale) Schaden mit deren Erwerb eintritt. Dort wurde der Emissionsbank, den Geschäftsführern der Emittentin und dem Bilanzprüfer im Wesentlichen gleichfalls die Verletzung von Prüf- und Aufsichtspflichten vorgeworfen, nämlich die schlechte finanzielle Lage der Emittentin im Zeitpunkt der Anleihebegebung gekannt und nicht darüber informiert zu haben.

 

Der Versicherungsfall und damit die Beurteilung der Deckungspflicht richtet sich nach dem vom Kläger geltend zu machenden Anspruch und ist insofern eine Frage des Einzelfalls.

 

Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, der Schaden sei bereits – nach dem Vorbringen des Klägers – mit dem Erwerb der behauptetermaßen wertlosen Anteile im Februar und Mai 2008 eingetreten, weshalb Vorvertraglichkeit vorliege, findet Deckung in der bestehenden oberstgerichtlichen Rsp und ist damit nicht zu beanstanden. Auf die vom Kläger herangezogene Kenntnisnahme vom eingetretenen Schaden kommt es hingegen nicht an.