OGH: Zum Kindesunterhalt bei „Doppelversorgung“ des Kindes (Behindertenheim)
Ob der Unterhaltsberechtigte einen Anspruch auf Doppelversorgung hat, ist nach dem Gesetzeszweck zu beurteilen; Anhaltspunkte für die Absicht des Gesetzgebers bieten die gesetzlichen Regelungen über den Rechtsübergang der Unterhaltsansprüche und über die Kostenbeitragspflicht des Unterhaltsverpflichteten
§ 231 ABGB, Sbg BehindertenG, Sbg SHG
GZ 4 Ob 7/17h, 21.02.2017
OGH: Soweit Unterhaltsbedürfnisse einer Person infolge einer öffentlich-rechtlichen Verpflichtung von einem Dritten gedeckt werden, bestehen keine Unterhaltsansprüche gegen einen nach Privatrecht Unterhaltspflichtigen, weil kein Anspruch auf Doppelversorgung besteht. Ob der Unterhaltsberechtigte einen Anspruch auf Doppelversorgung hat, ist nach dem Gesetzeszweck zu beurteilen; Anhaltspunkte für die Absicht des Gesetzgebers bieten die gesetzlichen Regelungen über den Rechtsübergang der Unterhaltsansprüche und über die Kostenbeitragspflicht des Unterhaltsverpflichteten.
Demnach werden Sozialleistungen, die nicht dem Ausgleich eines bestimmten Mehraufwands für einen Sonderbedarf dienen oder nach gesetzlichen Bestimmungen auf den Unterhalt nicht anrechenbar sind, als Eigeneinkommen in die Unterhaltsbemessung einbezogen. Anderes gilt dagegen für Sozialleistungen zur Deckung des Mehraufwands für einen bestimmten - den Regelbedarf übersteigenden - Sonderbedarf, der dem Unterhaltsberechtigten infolge Berücksichtigung der bei der Ermittlung des Regelbedarfs bewusst außer Acht gelassenen Umständen erwächst (zB Pflegegeld); jedoch findet auch hier ein Ausschluss eines erhöhten Unterhaltsanspruchs gegenüber dem Unterhaltspflichtigen statt.
Erbringt der Sozialhilfeträger dem Unterhaltsberechtigten Leistungen, die Bedürfnisse decken, die durch den Unterhalt zu decken wären, so kann der Unterhaltsberechtigte im Umfange dieser Leistungen seinen Unterhaltsanspruch nicht geltend machen. Der Grundsatz, dass eine Person, deren Unterhaltsbedürfnisse aufgrund einer öffentlichen Verpflichtung zur Gänze von einem Dritten gedeckt werden, schon deswegen keine Unterhaltsansprüche gegen einen zivilrechtlich Unterhaltspflichtigen stellen kann, weil ihm kein Anspruch auf Doppelversorgung zusteht, kann aber dort nicht angewendet werden, wo der Gesetzgeber durch Anordnung aufgeschobener (also erst mit Verständigung des Unterhaltsverpflichteten durch den Sozialhilfeträger bewirkter) Legalzession ausdrücklich das Weiterbestehen des Anspruchs des Unterhaltsberechtigten vorausgesetzt hat. Nur wenn das jeweilige Sozialhilfegesetz keine den Sozialhilfeempfänger betreffende Rückzahlungsverpflichtung oder keine (aufgeschobene) Legalzession des Unterhaltsanspruchs vorsieht, also die einmal gewährte Sozialhilfe nicht (mehr) zurückgefordert werden kann (wie hier nach dem Sbg BehindertenG), ist sie als anrechenbares Eigeneinkommen des Unterhaltsberechtigten anzusehen. In den übrigen Fällen bleibt der volle Unterhaltsanspruch bestehen.