04.04.2017 Zivilrecht

OGH: Zur Haftungsfreizeichnung für das Gutachten eines Tierarztes

Der in AGB vereinbarte Ausschluss der Haftung für leichte Fahrlässigkeit - Körperschäden von Verbrauchern ausgenommen - bedarf iSd § 879 Abs 3 ABGB insbesondere dann einer sachlichen Rechtfertigung, wenn er die Hauptpflicht aus dem Vertrag betrifft


Schlagworte: Schadenersatzrecht, Haftungsfreizeichnung, Konsumentenschutz, AGB, Sittenwidrigkeit, Tierarzt, Gutachten, Ankaufsuntersuchung, Pferd
Gesetze:

 

§ 19 TierärzteG, § 1299 ABGB, § 6 DSchG

 

GZ 1 Ob 243/16s, 10.02.2017

 

OGH: Gem § 19 Abs 1 TierärzteG darf ein Tierarzt Zeugnisse und Gutachten nur nach gewissenhafter Erhebung und Untersuchung und unter genauer Beachtung der Regeln, Erkenntnisse und Erfahrungen der Veterinärmedizin nach seinem besten Wissen und Gewissen abgeben. Diese Bestimmung stellt die Grundsätze auf, nach denen tierärztliche Zeugnisse und Gutachten zu erstellen sind. Die wichtigsten Punkte der tierärztlichen Berufsordnung sind die Festlegung der den Tierärzten vorbehaltenen Tätigkeiten und die klare Umschreibung von Rechten und Pflichten der Tierärzte. Daraus ergibt sich, dass grundsätzlich der gesetzlich festgelegte Sorgfaltsmaßstab vom Tierarzt bei der Erstellung von Zeugnissen und Gutachten einzuhalten ist.

 

Der OGH hat eine Beschränkung der Haftung auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit zwar auch in AGB grundsätzlich als zulässig angesehen, jedoch die Auffassung abgelehnt, § 6 Abs 1 Z 9 KSchG lasse die Freizeichnung für leichte Fahrlässigkeit - auch über Personenschäden hinausgehend - ganz generell zu. Der hier in den AGB vereinbarte Ausschluss der Haftung für leichte Fahrlässigkeit - Körperschäden von Verbrauchern ausgenommen - soll umfassend sein und erfasst nicht zuletzt auch die Freizeichnung bei Verletzung vertraglicher Hauptpflichten für die vom Tierarzt verursachten Schäden. Ein solcher weitgehender Haftungsausschluss für leicht fahrlässig herbeigeführte Sach- und Vermögensschäden bedarf iSd § 879 Abs 3 ABGB einer sachlichen Rechtfertigung. Diese Bestimmung verlangt die Vornahme einer umfassenden, die Umstände des Einzelfalls berücksichtigenden Interessenprüfung, aufgrund derer zu beurteilen ist, ob eine sachlich berechtigte Abweichung von der für den Durchschnittsfall getroffenen Norm des nachgiebigen Rechts vorliegt oder nicht.

 

Grundregel für die Erstellung eines tierärztlichen Gutachtens ist das Gebot der Gewissenhaftigkeit (§ 19 Abs 1 TierärzteG; § 1299 ABGB). Hauptpflicht des Tierarztes war hier, im Rahmen der Kaufuntersuchung ein inhaltlich zutreffendes Gutachtens über den Gesundheitszustand eines Pferdes zu erstellen. Ein genereller Haftungsausschluss für leichte Fahrlässigkeit im Bezug auf Sach- und Vermögensschäden ist eine gröbliche Benachteiligung iSd § 879 Abs 3 ABGB, und zwar speziell dann, wenn der Ausschluss der Haftung die Hauptpflicht aus dem Vertrag betrifft. Dafür ist keine sachliche Rechtfertigung zu erkennen; damit verstößt die Haftungsfreizeichnungsklausel in den AGB gegen § 879 Abs 3 ABGB und ist nichtig.