14.03.2017 Zivilrecht

OGH: Ehrenbeleidigung iSd § 1330 Abs 1 ABGB – Äußerung gegenüber der Lebensgefährtin des Beleidigten

Im vorliegenden Fall ist die Äußerung des Beklagten nicht seinem eigenen Familienkreis, sondern der Lebensgefährtin des Beleidigten zur Kenntnis gelangt; dies reicht aber für eine üble Nachrede aus; die für Äußerungen im Familienkreis des Beleidigers entwickelten Grundsätze lassen sich nicht auf Äußerungen gegenüber dem Familienkreis des Beleidigten übertragen; zutreffend haben die Vorinstanzen die Lebensgefährtin des Klägers daher als „Dritte“ angesehen, sodass die für eine Beleidigung nach § 1330 Abs 1 ABGB geforderte Mindestpublizität erfüllt ist


Schlagworte: Schadenersatzrecht, Ehrenbeleidigung, Kreditschädigung, Verbreitung der Äußerung an Lebensgefährtin des Beleidigten, Dritte, üble Nachrede
Gesetze:

 

§ 1330 ABGB, § 111 StGB, Art 8 EMRK

 

GZ 6 Ob 249/16k, 30.01.2017

 

OGH: Nach stRsp genügt zur Erfüllung des Tatbestands des „Verbreitens“ einer Tatsachenbehauptung iSd § 1330 Abs 2 ABGB bereits die Mitteilung an eine Person. Diese Judikatur wird auch auf – hier gegenständliche – Ehrenbeleidigungen nach § 1330 Abs 1 ABGB angewendet. Auch Ehrenbeleidigung nach § 1330 Abs 1 ABGB setzt die Verbreitung der Äußerung, also die Mitteilung an zumindest eine vom Täter und Verletzten verschiedene Person, voraus. Es kommt nicht darauf an, ob andere Personen die Äußerung auch vernommen haben; es reicht ihre Wahrnehmbarkeit aus.

 

In der Entscheidung 6 Ob 37/95 hat der OGH zu dieser Frage mit eingehender Begründung Stellung genommen und dargelegt, dass eine Ehrenbeleidigung nur vorliegen kann, wenn überhaupt die Gefahr besteht, dass der Beleidigte anschließend in seinem Ansehen beeinträchtigt sein könnte, was bei einer Ehrenbeleidigung „unter vier Augen“ grundsätzlich nicht denkbar ist.

 

Von diesen Grundsätzen sind die Vorinstanzen im vorliegenden Fall nicht abgewichen. Der Beklagte vertritt die Auffassung, die Lebensgefährtin des Klägers, also des im Schreiben Beleidigten, sei nicht als „Dritte“ iSd dargestellten Judikatur anzusehen. Dem ist entgegenzuhalten, dass Äußerungen im Familienkreis tatsächlich idR nicht als „öffentlich“ anzusehen sind. Der Schutz des Familienlebens (Art 8 Abs 1 EMRK) rechtfertigt unbeschwerte (vertrauliche) Äußerungen innerhalb der Familie auch dann, wenn kein berechtigtes Interesse iSd § 1330 Abs 2 Satz 3 ABGB vorliegt. In diesem Sinne fällt etwa die abfällige Äußerung über einen Dritten durch einen Beleidiger in seinem eigenen Familienkreis nicht unter den Tatbestand des § 111 StGB. Bei derartigen vertraulichen Äußerungen im Familienkreis gegenüber den eigenen nächsten Angehörigen muss regelmäßig nicht erwartet werden, dass diese tatsächlich auf diese Weise in die Umwelt gelangen, wodurch das Ansehen des Beleidigten anschließend beeinträchtigt werden könnte.

 

Im vorliegenden Fall ist demgegenüber die Äußerung des Beklagten nicht seinem eigenen Familienkreis, sondern der Lebensgefährtin des Beleidigten zur Kenntnis gelangt. Dies reicht aber für eine üble Nachrede aus. Die für Äußerungen im Familienkreis des Beleidigers entwickelten Grundsätze lassen sich nicht auf Äußerungen gegenüber dem Familienkreis des Beleidigten übertragen.

 

Zutreffend haben die Vorinstanzen die Lebensgefährtin des Klägers daher als „Dritte“ angesehen, sodass die für eine Beleidigung nach § 1330 Abs 1 ABGB geforderte Mindestpublizität erfüllt ist. Weil es nicht darauf ankommt, ob die Mitteilung einem Dritten tatsächlich zur Kenntnis gelangt ist, sondern bereits die Kenntnisnahmemöglichkeit ausreicht, ist auch nicht entscheidend, wie genau der Brief schließlich zur Lebensgefährtin des Klägers gelangt ist, weil bereits durch das Einwerfen des Briefs in den Postkasten der (ursprünglich intendierten) Empfängerin Dr. M***** die Wahrnehmbarkeit des Schreibens für Dritte (nämlich zumindest Dr. M*****) erreicht war.