VwGH: § 303 BAO – amtswegige Wiederaufnahme aufgrund Neuhervorkommen von Tatsachen und Beweismitteln
Das Neuhervorkommen von Tatsachen und Beweismitteln bezieht sich auf den Wissensstand (auf Grund der Abgabenerklärungen und ihrer Beilagen) des jeweiligen Veranlagungsjahres; entscheidend ist, ob der abgabenfestsetzenden Stelle alle rechtserheblichen Sachverhaltselemente bekannt waren; dass die Prüfungsabteilung in einem ein anderes Prüfungsjahr betreffenden Prüfungsverfahren von den maßgeblichen Tatsachen Kenntnis hatte, steht der Wiederaufnahme nicht entgegen
§ 303 BAO
GZ Ro 2014/13/0034, 20.10.2016
VwGH: Den Ausführungen, das Finanzamt habe lediglich einen bereits aus einer Betriebsprüfung für die Jahre 1999 bis 2001 bekannten Sachverhalt anders beurteilt, ist zu entgegnen, dass das Neuhervorkommen von Tatsachen und Beweismitteln nach der stRsp des VwGH nur aus der Sicht der jeweiligen Verfahren derart zu beurteilen ist, dass es darauf ankommt, ob der Abgabenbehörde im wiederaufzunehmenden Verfahren der Sachverhalt so vollständig bekannt gewesen ist, dass sie schon in diesem Verfahren bei richtiger rechtlicher Subsumtion zu der nunmehr im wiederaufgenommenen Verfahren erlassenen Entscheidung hätte gelangen können. Dabei ist das Hervorkommen neuer Tatsachen oder Beweismittel aus der Sicht des jeweiligen Verfahrens und nicht aus anderen Verfahren, bei denen diese Tatsachen möglicherweise erkennbar waren, zu beurteilen. Das Neuhervorkommen von Tatsachen und Beweismitteln iSd § 303 Abs 4 BAO (aF) bezieht sich damit auf den Wissensstand (auf Grund der Abgabenerklärungen und ihrer Beilagen) des jeweiligen Veranlagungsjahres. Entscheidend ist, ob der abgabenfestsetzenden Stelle alle rechtserheblichen Sachverhaltselemente bekannt waren. Dass die Prüfungsabteilung in einem ein anderes Prüfungsjahr betreffenden Prüfungsverfahren von den maßgeblichen Tatsachen Kenntnis hatte, steht der Wiederaufnahme nicht entgegen. Mit dem Vorbringen, "im konkreten Fall war die tatsächliche Empfängerin der Zahlung Frau (E S), die ihren Anspruch aufgrund wirtschaftlicher Probleme an die (S LTD) abgetreten hat", weshalb eine Empfängerbenennung hätte unterbleiben können, "weil Frau (E S) offenbar nicht in Österreich steuerpflichtig war oder ist", entfernt sich die Revisionswerberin vom im angefochtenen Bescheid festgestellten Sachverhalt. Die belBeh ging - mit eingehender Begründung - gerade nicht davon aus, dass E S die den Provisionen zugrundeliegende Leistungen erbracht und ihre daraus resultierenden Provisionsansprüche an die S LTD abgetreten bzw verkauft hat. Die Frage, ob die Aufforderung zur Empfängerbenennung allenfalls zu Unrecht erfolgte, stellt sich im Hinblick darauf nicht.