OGH: Zur Aufhebung des Schiedsspruchs wegen Verstoß gegen den verfahrensrechtlichen ordre public
Betrifft der Verfahrensmangel nur einen nicht tragenden Teil der Begründung, so besteht keine sachliche Rechtfertigung, deswegen den gesamten Schiedsspruch aufzuheben
§ 611 ZPO, § 1052 dZPO
GZ 18 OCg 5/16h, 06.12.2016
OGH: Nach § 611 Abs 2 Z 5 ZPO ist der Schiedsspruch aufzuheben, wenn das Schiedsverfahren in einer Weise durchgeführt wurde, die Grundwertungen der österreichischen Rechtsordnung widerspricht; § 611 Abs 2 Z 2 ZPO regelt mit dem Entzug des rechtlichen Gehörs einen besonderen Fall dieses Tatbestands. Leidet das Schiedsverfahren unter einem derart schwerwiegenden Mangel, wird das idR zur Aufhebung des Schiedsspruchs führen. Anderes gilt aber dann, wenn sich aus der Begründung des Schiedsspruchs die fehlende Relevanz dieses Mangels für die Entscheidung des Schiedsgerichts ergibt. Zwar ist das im österreichischen Recht - anders als in § 1052 Abs 2 lit d dZPO - nicht ausdrücklich angeordnet. Daraus könnte abgeleitet werden, dass eine Verletzung des verfahrensrechtlichen ordre public zwingend zur Aufhebung des Schiedsspruchs führen muss.
Dennoch ist nicht nur wegen des Ausnahmecharakters der Aufhebungsgründe eine differenzierte Sichtweise geboten: Im Schiedsverfahren ist nach einer erfolgreichen Aufhebungsklage keine Zurückverweisung an das Schiedsgericht vorgesehen. Eine erfolgreiche Aufhebungsklage führt daher - anders als eine Nichtigkeitsberufung - auch dann zur vollständigen Vernichtung des Verfahrensaufwands, wenn sich der geltend gemachte Mangel nur auf einen Teil des Verfahrens oder des Streitgegenstands bezieht. Das spricht dagegen, § 611 Abs 2 Z 2 oder Z 5 ZPO auch dann greifen zu lassen, wenn sich aus der Begründung des Schiedsgerichts die fehlende Relevanz des vom jeweiligen Verfahrensmangel erfassten Punktes ergibt. Für ein solches Ergebnis gäbe es keine sachliche Rechtfertigung: Zweck der auf den ordre public bezogenen Aufhebungsgründe (§ 611 Abs 2 Z 2, Z 5 und Z 8 ZPO) ist die Beseitigung von Schiedssprüchen, deren Weiterbestand nach den Wertungen des nationalen Rechts im Ergebnis unerträglich wäre. Diese Voraussetzung ist nicht erfüllt, wenn sich schon aus der Begründung des Schiedsspruchs ergibt, dass ein - wenngleich gravierender - Verfahrensmangel für dieses Ergebnis letztlich irrelevant war. Das trifft insbesondere dann zu, wenn der Mangel nur einen nicht tragenden Teil der Begründung betrifft.