31.01.2017 Verfahrensrecht

OGH: Zur Frage, ob die Klage des Mieters gegen Dritte auf Unterlassung von Störungen den Tatbestand der internationalen Zuständigkeit nach Art 24 Z 1 Brüssel Ia-VO begründet

Wenn nach dem EuGH (und der ganz überwiegenden Lehre) bereits eine aus dem Eigentumsrecht abgeleitete Unterlassungsklage keine Klage aus einem „dinglichen Recht“ iSd Art 16 Z 1 lit a EuGVÜ bzw Art 24 Z 1 Brüssel Ia-VO ist, muss dies erst recht für ein bloß publizianisches Unterlassungsbegehren (§ 372 ABGB) gelten; die ganz hM subsumiert – auch vorbeugende – Unterlassungsklagen des Grundeigentümers gegen einen dritten Störer unter Art 7 Z 2 Brüssel Ia-VO


Schlagworte: Europäisches Verfahrensrecht, internationale Zuständigkeit, publizianische Klage, Mieter
Gesetze:

 

Art 24 Brüssel Ia-VO, Art 7 Brüssel Ia-VO, § 372 ABGB

 

GZ 10 Ob 74/16d, 20.12.2016

 

OGH: Betreffend die inländische Gerichtsbarkeit (iSd internationalen Zuständigkeit) fällt die hier zu beurteilende Klage in den sachlichen Anwendungsbereich der Brüssel Ia-VO (EuGVVO 2012). Dies ergibt sich aus Art 5 Abs 1 der Verordnung bzw – für den Fall der Anwendbarkeit des Art 24 Z 1 Brüssel Ia-VO – aus dem Einleitungssatz zu Art 24. In Bezug auf die inländische Gerichtsbarkeit (iSd internationalen Zuständigkeit) verdrängt die Brüssel Ia-VO in ihrem Anwendungsbereich die Bestimmungen der JN zur Gänze.

 

Materiell-rechtlich steht dem Mieter für sein gegen einen dritten Störer gerichtetes Begehren auf Unterlassung die publizianische Klage nach § 372 ABGB zur Verfügung.

 

Im Kontext der internationalen Zuständigkeit kommen für diese Klage (allenfalls neben dem hier nicht relevanten allgemeinen Gerichtsstand nach Art 4 Brüssel Ia-VO) der ausschließliche Gerichtsstand nach Art 24 Z 1 und der besondere Gerichtsstand nach Art 7 Z 2 Brüssel Ia-VO in Betracht, je nachdem, ob die publizianische Klage dinglich oder deliktisch einzuordnen ist.

 

Da der ausschließliche Gerichtsstand dem besonderen Gerichtsstand vorgeht, ist in erster Linie zu klären, ob das hier zu beurteilende Unterlassungsbegehren „ein dingliches Recht an einer unbeweglichen Sache“ zum Gegenstand hat. Der EuGH musste sich bisher noch nicht dazu äußern, ob eine publizianische Unterlassungsklage unter Art 24 Z 1 Brüssel Ia-VO fällt. Allerdings hat er in der Entscheidung vom 18. Mai 2006, C-343/04, ČEZ, die eine Immissionsabwehrklage nach § 364 Abs 2 ABGB betraf, das Begriffsverständnis des „dinglichen Rechts“ iSd Art 16 Z 1 lit a EuGVÜ (nun Art 24 Z 1 Brüssel Ia-VO) dahingehend konkretisiert, dass eine Klage nicht unter diese Bestimmung fällt, die – wie die im Ausgangsverfahren (3 Ob 266/03v) nach § 364 Abs 2 ABGB eingebrachte – darauf gerichtet ist, schädliche Einwirkungen zu verhindern, die von einem in einem Nachbarstaat gelegenen Atomkraftwerk ausgehen und im Eigentum der klagenden Partei stehende Liegenschaften beeinträchtigen oder zu beeinträchtigen drohen.

 

Diese Entscheidung wurde sowohl im österreichischen als auch im deutschen Schrifttum überwiegend positiv aufgenommen.

 

Wenn nach dem EuGH (und der ganz überwiegenden Lehre) bereits eine aus dem Eigentumsrecht abgeleitete Unterlassungsklage keine Klage aus einem „dinglichen Recht“ iSd Art 16 Z 1 lit a EuGVÜ bzw Art 24 Z 1 Brüssel Ia-VO ist, muss dies erst recht für ein bloß publizianisches Unterlassungsbegehren (§ 372 ABGB) gelten.

 

Damit steht dem Kläger der Gerichtsstand nach Art 24 Z 1 Brüssel Ia-VO nicht zur Verfügung.

 

Zu prüfen ist daher, ob die inländische Gerichtsbarkeit (iSd internationalen Zuständigkeit) aus Art 7 Z 2 Brüssel Ia-VO abgeleitet werden kann.

 

Diese Bestimmung, in der auch die örtliche Zuständigkeit geregelt wird, setzt voraus, dass die beklagte Partei – so wie im vorliegenden Fall – ihren Sitz in einem Mitgliedstaat hat und in einem anderen Mitgliedstaat geklagt wird.

 

Die ganz hM subsumiert – auch vorbeugende – Unterlassungsklagen des Grundeigentümers gegen einen dritten Störer unter Art 7 Z 2 Brüssel Ia-VO.

 

Nach den Klagebehauptungen liegen im vorliegenden Fall sowohl der Handlungs- als auch der Erfolgsort in Innsbruck, weshalb die internationale und die örtliche Zuständigkeit des angerufenen BG Innsbruck begründet ist.