30.01.2017 Verkehrsrecht

VwGH: Entziehung einer Probefahrtbewilligung (§ 45 KFG) und zur Frage, inwieweit den Inhaber einer Bewilligung nach § 45 Abs 1 KFG ein Verschulden daran trifft, wenn - bei Kennzeichenmissbrauch durch Dritte - seine Anordnungen nicht eingehalten werden

Überlässt der Bewilligungsinhaber die Verwendung von Probefahrtkennzeichen anderen, hat er die nach den Umständen gebotenen Anordnungen zu treffen, um sicherzustellen, dass ein Missbrauch unterbleibt und jede Fahrt auch tatsächlich registriert wird, und die Einhaltung seiner Anordnungen auch in geeigneter Weise zu überwachen; kommt es dennoch zu Verstößen gegen die Vorschriften des § 45 KFG, liegt es am Bewilligungsinhaber, konkret darzutun, dass er den besagten Verpflichtungen ausreichend nachgekommen ist und ihn daher kein Verschulden trifft


Schlagworte: Kraftfahrrecht, Probefahrten, Entziehung einer Probefahrtbewilligung, Kontrollsystem, Kennzeichenmissbrauch durch Dritte
Gesetze:

 

§ 45 KFG

 

GZ Ra 2016/11/0144, 08.11.2016

 

VwGH: Gem § 45 Abs 6 KFG hat der Besitzer einer Bewilligung zur Durchführung von Probefahrten über die Verwendung der mit dieser Bewilligung zugewiesenen Probefahrtkennzeichen einen Nachweis zu führen und darin vor jeder Fahrt den Namen des Lenkers und das Datum des Tages sowie die Marke, die Type und die Fahrgestellnummer oder die letzten sieben Stellen der Fahrzeugidentifizierungsnummer des Fahrzeuges, sofern dieses zugelassen ist, jedoch nur sein Kennzeichen, einzutragen. Der Nachweis ist drei Jahre lang aufzubewahren und der Behörde auf Verlangen zur Einsichtnahme vorzulegen.

 

Gem § 45 Abs 6a KFG kann die Behörde die Bewilligung bei wiederholten Missbrauch oder wenn die Vorschriften des Abs 6 wiederholt nicht eingehalten wurden, aufheben. Im Falle einer Aufhebung sind die Kennzeichentafeln mit den Probefahrtkennzeichen und der Probefahrtschein unverzüglich der Behörde abzuliefern.

 

§ 45 Abs 6a KFG ermöglicht der Behörde die Aufhebung der Bewilligung bei wiederholtem "Missbrauch" - also der Verwendung des Probefahrtkennzeichens für eine andere Fahrt als eine Probefahrt (§ 45 Abs 4 zweiter Satz KFG) - oder wenn die Vorschriften des Abs 6 (danach ist vom Bewilligungsinhaber ein Nachweis über die Verwendung der Probefahrtkennzeichen zu führen, in dem vor jeder Fahrt die im Abs 6 genannten Parameter einzutragen sind) wiederholt nicht eingehalten werden.

 

Überlässt der Bewilligungsinhaber die Verwendung von Probefahrtkennzeichen anderen, hat er die nach den Umständen gebotenen Anordnungen zu treffen, um sicherzustellen, dass ein Missbrauch unterbleibt und jede Fahrt auch tatsächlich registriert wird, und die Einhaltung seiner Anordnungen auch in geeigneter Weise zu überwachen. Kommt es dennoch zu Verstößen gegen die Vorschriften des § 45 KFG, liegt es am Bewilligungsinhaber, konkret darzutun, dass er den besagten Verpflichtungen ausreichend nachgekommen ist und ihn daher kein Verschulden trifft.

 

Um die Einhaltung der die Revisionswerberin nach § 45 KFG treffenden Verpflichtungen (deren wiederholte Verletzung nach dem oben Gesagten den Entzug der Bewilligung nach sich ziehen kann) zu sichern, wäre es ihr oblegen, ein zur Umsetzung ihrer gegenüber ihren Mitarbeitern bestehenden Kontrollpflichten wirksames begleitendes Kontrollsystem einzurichten, durch welches die Einhaltung der einschlägigen Vorschriften jederzeit sichergestellt werden kann. Diesbezüglich lag es bei ihr, konkret darzulegen, welche Maßnahmen von ihr getroffen wurden, um Verstöße wie die in Rede stehenden zu vermeiden, insbesondere wann, wie oft und auf welche Weise und von wem Kontrollen vorgenommen wurden. Schulungen und Betriebsanweisungen, wie sie vorliegend als Vorsorge für ein Kontrollsystem ins Treffen geführt wurden, vermögen gegebenenfalls ein Kontrollsystem zu unterstützen, aber nicht zu ersetzen. Belehrungen, Arbeitsanweisungen oder stichprobenartige Kontrollen reichen nach der gefestigten Rsp nicht aus, die Einrichtung eines wirksamen Kontrollsystems glaubhaft zu machen. Ein geeignetes Kontrollsystem hat nach der hg Rsp zudem nicht nur Vorkehrungen für die Kontrolle durch den Arbeitgeber, sondern auch ein geeignetes Sanktionssystem bei Zuwiderhandeln des Arbeitnehmers zu enthalten.

 

Bei einer Aufhebung der Bewilligung zur Durchführung von Probefahrten nach § 45 Abs 6a KFG handelt es sich um eine Ermessensentscheidung; dies erfordert die Darstellung der für die Ermessensübung maßgebenden Umstände, also die Vornahme der entsprechenden Sachverhaltsfeststellungen als Ergebnis eines von relevanten Mängeln freien Verfahrens.

 

Nach dem eben Gesagten handelt es sich bei der nach § 45 Abs 6a KFG zu treffenden Ermessensentscheidung um das Ergebnis einer Gesamtabwägung unterschiedlicher, allenfalls gegenläufiger Faktoren, das damit entscheidend von den Umständen des Einzelfalls abhängt.

 

Im gegenständlichen Verfahren hat das VwG zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts zwei mündliche Verhandlungen durchgeführt, in deren Rahmen die Parteien die Möglichkeit hatten, Vorbringen zu erstatten und zu den Beweisergebnissen Stellung zu nehmen. Das VwG hat in seine Beurteilung einbezogen von der Revisionswerberin zu verantwortende frühere Übertretungen der maßgebenden Bestimmungen des KFG, welche in die seitens der belBeh erteilte "Belehrung" vom 29. November 2013 mündeten.

 

Das Revisionsvorbringen, der hinsichtlich des Kennzeichens XX erfolgte Missbrauch durch den Kaufinteressenten JM sei der Revisionswerberin nicht als Verschulden anzulasten, übergeht die vor dem Hintergrund der dargestellten Judikatur zutreffende Beurteilung des VwG, die Revisionswerberin habe kein ausreichendes Kontrollsystem eingerichtet. Soweit die Revisionswerberin geltend macht, bei diesem Vorfall handle es sich um ein einmaliges Vorkommnis, zumal es nicht zu ihren Geschäftspraktiken gehöre, Kunden Fahrzeuge für längere Zeit zu überlassen, übergeht sie die von ihr nicht konkret in Abrede gestellten Feststellungen des behördlichen Bescheids, wonach bereits anlässlich der ersten Überprüfung (29. November 2013) festgestellt worden sei, dass die Revisionswerberin "wiederholt länger als 72 Stunden an einen Kunden" Probefahrtkennzeichen ausgegeben habe.

 

Was die fehlende Dokumentation hinsichtlich des Kennzeichens YY durch PB anlangt, entfernt sich die Revision, indem sie zu Grunde legt, dass der Betreffende bloß "einige Fahren aufgrund von Zeitdruck" nicht im Fahrtenbuch dokumentiert habe, von den Feststellungen im angefochtenen Erkenntnis, die entgegen dem Revisionsvorwurf nicht mit Aktenwidrigkeit belastet sind:

 

Ausgehend von der in der mündlichen Verhandlung vom 10. Februar 2016 protokollierten Aussage des Zeugen PB, er habe "wie erwähnt ......diesbezüglich keinerlei Aufzeichnungen geführt", iVm dem entsprechenden Vorbringen der Revisionswerberin, der Genannte sei "sonst grundsätzlich sehr genau, aber ist seinen Aufzeichnungen im Fahrtenbuch seine Person betreffend nichts zu entnehmen" liegt die gerügte Aktenwidrigkeit nicht vor; vielmehr ist als Ergebnis eines mangelfreien Verfahrens davon auszugehen, dass von diesem Angestellten der Revisionswerberin systematisch keine Aufzeichnungen über von ihm mit Probefahrtkennzeichen durchgeführte Fahrten unternommen wurden.

 

Das VwG konnte seiner Entscheidung also nicht nur einen wiederholten Missbrauch der Probefahrtbewilligung, sondern auch die wiederholte Nichteinhaltung der Vorschriften des § 45 Abs 6 KFG zu Grunde legen; angesichts der früheren Übertretungen, die in eine ausdrückliche Verwarnung der Revisionswerberin mündeten, der mehr als zwei Monate dauernden Überlassung des Probefahrtkennzeichens XX und der systematischen Nichteintragung von seitens PB durchgeführten Probefahrten kann nicht gesehen werden, dass die vom VwG getroffene Entscheidung gegen die dargelegten Leitlinien der Judikatur des VwGH verstieße.