24.01.2017 Verfahrensrecht

OGH: Entziehung der Eigenverwaltung nach § 186 Abs 2 IO

Die Wertungen des § 119 Abs 5 IO sind nicht in ihrer Allgemeinheit auf den Entzug der Eigenverwaltung zu übertragen; der Entzug der Eigenverwaltung ist in § 186 IO gesondert geregelt; als Grundsatz gilt, dass die Eigenverwaltung nach der Konzeption des Gesetzes den Regelfall und deren Entzug die Ausnahme darstellt; im Zweifel soll somit dem Schuldner die Eigenverwaltung belassen werden; die Einschreiterin bezieht sich erkennbar auf potenzielle Nachteile für die Gläubiger (§ 186 Abs 2 Z 2 IO); dafür müssen allerdings – aufgrund der bisherigen Verhaltensweisen – konkrete Hinweise dafür vorliegen, dass der Schuldner während des Insolvenzverfahrens gläubigerschädigende Rechtshandlungen setzen werde; die Entziehung soll keine Strafe für den Schuldner darstellen; für konkret zu besorgende Nachteile ist es daher erforderlich, dass der Schuldner als unredlich, als unzuverlässig oder als überfordert zu qualifizieren ist


Schlagworte: Insolvenzverfahren, Schuldenregulierungsverfahren, Entziehung der Eigenverwaltung, Rechtsmittellegitimation
Gesetze:

 

§ 186 IO, § 119 IO

 

GZ 8 Ob 114/16x, 25.11.2016

 

OGH: Das Verfahren zur Entziehung der Eigenverwaltung ist im Gesetz nicht näher geregelt. Die Entziehung kann schon im Eröffnungsbeschluss oder – wie hier – nachträglich mit separatem Beschluss erfolgen. Das Gericht kann entweder von Amts wegen oder auf Antrag vorgehen. Zur Antragstellung sind jedenfalls der Schuldner und die einzelnen Insolvenzgläubiger berechtigt.

 

Allgemein ist im Insolvenzverfahren jeder zum Rekurs befugt, der in einem konkreten Recht verletzt sein kann; ein bloß wirtschaftliches Interesse genügt nicht. Die Rechtsmittellegitimation hängt daher davon ab, ob der Rechtsmittelwerber durch den angefochtenen Beschluss in einer erworbenen Rechtsposition beeinträchtigt wurde. Im Insolvenzverfahren ist die Rechtsmittellegitimation eines Beteiligten in Angelegenheiten, die den Gang des Verfahrens oder die Mitwirkung am Verfahren betreffen, dann anzuerkennen, wenn ihm ein entsprechendes Antragsrecht oder zumindest ein Anhörungsrecht zusteht. Davon ausgehend steht dem bestellten Insolvenzverwalter ein Rekursrecht grundsätzlich dann zu, wenn er konkret gemeinsame Interessen der Insolvenzgläubiger zu vertreten hat.

 

Diese Voraussetzungen sind hier in Bezug auf die Einschreiterin nicht gegeben. Ihre wirksame Bestellung zur Insolvenzverwalterin setzt den rechtskräftigen Entzug der Eigenverwaltung voraus. Dazu ist es im Anlassverfahren nicht gekommen. Die hier zu beurteilende Ablehnung des Entzugs der Eigenverwaltung ist nicht etwa mit der Enthebung des Insolvenzverwalters vergleichbar. Anderes könnte nur für den Fall der nachträglichen (Rück-)Übertragung der Eigenverwaltung gelten. In einem solchen Fall ist der Insolvenzverwalter zu entheben.

 

Auch sonst wäre der außerordentliche Revisionsrekurs der Einschreiterin zurückzuweisen.

 

Die Einschreiterin argumentiert, dass die Unverwertbarkeit der Liegenschaft zeitlich beschränkt sei und die Umstände erwarten ließen, dass die Gläubiger in absehbarer Zeit auf ein verwertbares Vermögen greifen könnten. Die unverwertbare Liegenschaft sei daher nicht wertlos. Aus diesem Grund sei die Feststellung des Werts der Liegenschaft erforderlich. Die Voraussetzungen für eine Ausscheidung seien nicht gegeben. Dazu beruft sich die Einschreiterin auf die Entscheidung 8 Ob 8/06v.

 

Die zitierte Entscheidung betrifft die Frage der Ausscheidung einer Liegenschaft aus der Insolvenzmasse nach § 119 Abs 5 IO. Dazu wurde in der Entscheidung ausgesprochen, dass es für die Beurteilung des Werts einer Sache iSd § 119 Abs 5 leg cit auf den Wert aus Sicht der Masse ankomme. Daher könnten etwa auch pfandrechtsüberlastete Liegenschaften Gegenstand der Ausscheidung sein. In dieser Hinsicht sei eine Prognoseentscheidung zu treffen. Die Ausscheidung einer Liegenschaft von an sich nicht unbedeutendem Wert habe nur dann zu erfolgen, wenn eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür spreche, dass für die Insolvenzgläubiger die Ausscheidung der Liegenschaft vorteilhafter sein werde als deren Unterbleiben. Ergebe sich, dass der Verbleib der Liegenschaft in der Masse diese ärmer mache als eine Freigabe, so habe eine Freigabe zu erfolgen.

 

Im Anlassfall geht es allerdings nicht um die Ausscheidung der Liegenschaft. Es besteht daher auch nicht die Gefahr, dass die Liegenschaft in die unbeschränkte Verfügungsmacht des Schuldners fällt. Vielmehr sind im Fall der Eigenverwaltung des Schuldners alle Vorschriften, die gewöhnlich den Insolvenzverwalter betreffen, auf den Schuldner anzuwenden, dem eine Doppelstellung zukommt. Insbesondere stehen dem Insolvenzgericht alle in § 84 IO genannten Überwachungs- und Weisungsbefugnisse gegenüber dem Schuldner zu. Zudem treffen den Schuldner die Verfügungsbeschränkungen nach § 187 Abs 1 Z 3–5 IO. Im gegebenen Zusammenhang ist in dieser Hinsicht zu berücksichtigen, dass Verfügungen des Schuldners über Gegenstände der Insolvenzmasse nur mit Zustimmung des Insolvenzgerichts wirksam sind und dem Schuldner nicht das Recht zusteht, die Zwangsversteigerung oder Zwangsverwaltung einer Liegenschaft der Insolvenzmasse zu betreiben (§ 187 Abs 1 IO). Die Veräußerung einer Liegenschaft der Insolvenzmasse kommt nur durch das Insolvenzgericht in Betracht (§ 190 Abs 3 IO). Schließlich sieht § 190 Abs 2 IO die Möglichkeit vor, einen Insolvenzverwalter nur für einzelne, besonders schwierige Tätigkeiten zu bestellen.

 

Aus den dargestellten Überlegungen folgt, dass die Wertungen des § 119 Abs 5 IO nicht in ihrer Allgemeinheit auf den Entzug der Eigenverwaltung zu übertragen sind. Der Entzug der Eigenverwaltung ist in § 186 IO gesondert geregelt. Als Grundsatz gilt, dass die Eigenverwaltung nach der Konzeption des Gesetzes den Regelfall und deren Entzug die Ausnahme darstellt. Im Zweifel soll somit dem Schuldner die Eigenverwaltung belassen werden.

 

Die Einschreiterin bezieht sich erkennbar auf potenzielle Nachteile für die Gläubiger (§ 186 Abs 2 Z 2 IO). Dafür müssen allerdings – aufgrund der bisherigen Verhaltensweisen – konkrete Hinweise dafür vorliegen, dass der Schuldner während des Insolvenzverfahrens gläubigerschädigende Rechtshandlungen setzen werde. Die Entziehung soll keine Strafe für den Schuldner darstellen. Für konkret zu besorgende Nachteile ist es daher erforderlich, dass der Schuldner als unredlich, als unzuverlässig oder als überfordert zu qualifizieren ist.

 

Derartige Vorwürfe werden von der Einschreiterin nicht ins Treffen geführt. Die Schlussfolgerung des Rekursgerichts, dass ein Grund für die Entziehung der Eigenverwaltung nicht ersichtlich sei, ist demnach auch nicht zu beanstanden.