24.01.2017 Verfahrensrecht

OGH: Zur Frage, ob § 563 Abs 2 ZPO analog auf eine Berichtigung einer Aufkündigung zum nächstfolgenden Kündigungstermin angewendet werden kann, wenn zum Zeitpunkt dieser Berichtigung die Kündigungsfrist noch zur Gänze offensteht

Da bei noch offener Kündigungsfrist zum Zeitpunkt der Berichtigung des Kündigungstermins eine Unwirksamerklärung der Aufkündigung bloß zur sofortigen neuerlichen Einbringung der (berichtigten) Aufkündigung führen würde, ist § 563 Abs 2 Satz 2 ZPO auch der Fall zu unterstellen, dass der Aufkündigende zunächst einen falschen Termin wählte, sodann aber im Verfahren über die Einwendungen des Kündigungsgegners den richtigen Termin nennt und zu diesem Zeitpunkt die Kündigungsfrist noch offen ist


Schlagworte: Bestandrecht, Aufkündigung, Berichtigung des Kündigungstermins
Gesetze:

 

§ 563 ZPO, § 560 ZPO, § 33 MRG

 

GZ 6 Ob 167/16a, 29.11.2016

 

OGH: Bis zur Änderung des § 563 ZPO durch die Zivilverfahrensnovelle 2009 entsprach es stRsp des OGH, dass eine Richtigstellung des Kündigungstermins durch die aufkündigende Partei nach Erlassung der Aufkündigung grundsätzlich nur bei Sanierung offenkundiger, dh auch für den Kündigungsgegner eindeutig erkennbarer Ausdrucks- oder Schreibfehler zulässig war.

 

Nach § 563 Abs 2 ZPO idgF ist eine gerichtliche Aufkündigung für den darin genannten Kündigungstermin wirksam, wenn sie dem Gegner vor Beginn der für diesen Kündigungstermin gem § 560 Abs 1 Z 1 und 2 ZPO einzuhaltenden Kündigungsfrist zugestellt wird oder wenn der Gegner bei verspäteter Zustellung gegen sie keine Einwendungen erhebt oder die Verspätung nicht rügt. Wenn der Gegner die Verspätung aber rügt, ist die Aufkündigung für den ersten späteren Kündigungstermin wirksam, für den die Frist zum Zeitpunkt ihrer Zustellung noch offen war. Aus dieser Regelung ergibt sich nach hA folgender Regelungsmechanismus:

 

a) Wird die gerichtliche Kündigung (des Vermieters oder Mieters) verspätet „angebracht“, also bereits nach Beginn der für den darin genannten Kündigungstermin einzuhaltenden Kündigungsfrist bei Gericht, ist sie von Amts wegen zurückzuweisen.

 

b) Wird die Aufkündigung rechtzeitig „angebracht“, ist sie jedenfalls zuzustellen, und zwar auch dann, wenn bereits absehbar oder allenfalls auch schon gewiss ist, dass sie verspätet – also nach Beginn der einzuhaltenden Kündigungsfrist – zugehen wird.

 

c) Ist die Kündigung verspätet zugestellt, ist zu differenzieren:

 

- Erhebt der Kündigungsgegner keine Einwendungen, wird die Aufkündigung zu dem genannten Kündigungstermin wirksam.

 

- Erhebt der Kündigungsgegner Einwendungen, macht er aber die verspätete Zustellung der Aufkündigung nicht geltend, ist die Verspätung nicht zu beachten.

 

- Macht der Kündigungsgegner die verspätete Zustellung geltend, hat das Gericht, wenn es die Kündigung als Ergebnis des Verfahrens aufrecht erhält, im Urteil als Datum der Wirksamkeit der Aufkündigung jenen Termin zu benennen, der zum Zeitpunkt der Zustellung an den Kündigungsgegner unter Berücksichtigung der einzuhaltenden Kündigungsfrist noch offen war.

 

In den ErläutRV wird „zur Klarstellung“ erwähnt, dass der in § 563 Abs 2 Satz 2 ZPO genannte „spätere Kündigungstermin“ auch ein vertraglich vereinbarter Kündigungstermin sein kann, wenn sich im Verfahren über die Einwendungen des Kündigungsgegners herausstellt, dass die Vertragsparteien einen vom Gesetzesrecht abweichenden Kündigungstermin vereinbart hatten. Nach dem Willen des historischen Gesetzgebers soll diese Regelung somit – im Gegensatz zur dargestellten Rsp – auch dann Anwendung finden, wenn dem Aufkündigenden bei Festlegung des Kündigungstermins nicht bloß ein eindeutig erkennbarer Ausdrucks- oder Schreibfehler unterlief, sondern er ursprünglich bewusst einen falschen Termin wählte, zum Zeitpunkt der Berichtigung des Fehlers aber die Kündigungsfrist noch offen war (vgl § 563 Abs 2 Satz 2 ZPO). Diese Überlegungen stehen durchaus im Einklang mit den grundsätzlichen Intentionen der Novellierung des § 563 ZPO durch die Zivilverfahrensnovelle 2009 und des § 33 MRG auch schon durch die Wohnrechtsnovelle 2006, nämlich das Fristenregime großzügiger zu gestalten und die Wirkungslosigkeit von Aufkündigungen zu vermeiden, um dem Kündigenden verlorenen Aufwand zu ersparen. Da aber bei noch offener Kündigungsfrist zum Zeitpunkt der Berichtigung des Kündigungstermins eine Unwirksamerklärung der Aufkündigung bloß zur sofortigen neuerlichen Einbringung der (berichtigten) Aufkündigung führen würde, ist § 563 Abs 2 Satz 2 ZPO auch der Fall zu unterstellen, dass der Aufkündigende zunächst einen falschen Termin wählte, sodann aber im Verfahren über die Einwendungen des Kündigungsgegners den richtigen Termin nennt und zu diesem Zeitpunkt die Kündigungsfrist noch offen ist.

 

Zum Zeitpunkt der Berichtigung am 22. 12. 2015 war die dreimonatige gesetzliche Kündigungsfrist zum 31. 3. 2016 noch offen, sodass die Vorinstanzen im Ergebnis zu Unrecht die Aufkündigung wegen unrichtigem Kündigungstermin für unwirksam erachteten.