12.12.2016 Zivilrecht

OGH: Zur Frage, ob dem Kind auch für die Zeit einer Kindesentführung Geldunterhaltsansprüche gegen den an sich obsorgeberechtigten Elternteil zustehen

Der Unterhaltspflichtige kann die Leistung von Geldunterhalt nicht mit dem Hinweis darauf verweigern, der andere Elternteil entziehe ihm widerrechtlich das Kind; daran ändert auch die (auflösend bedingte) Übertragung der Obsorge auf den Vater mit Beschluss des BG Thalgau vom 18. Oktober 2011 nichts; das Gesetz stellt nur auf die tatsächlichen Verhältnisse und nicht darauf ab, wem die Obsorge zukommt


Schlagworte: Familienrecht, Kindesunterhalt, Kindesentführung, Obsorgeberechtigter, Drittzahler
Gesetze:

 

§ 231 ABGB, Brüssel Iia-VO, § 1042 ABGB

 

GZ 10 Ob 56/16g, 11.11.2016

 

OGH: Es entspricht ständiger höchstgerichtlicher Rsp, dass der Unterhaltspflichtige die Leistung von Geldunterhalt nicht mit dem Hinweis darauf verweigern kann, der andere Elternteil entziehe ihm widerrechtlich das Kind. Beim Geldunterhaltsanspruch handelt es sich um einen eigenen Anspruch des Kindes, der nicht durch das (rechtswidrige) Verhalten eines Elternteils geschmälert wird oder gar gänzlich erlischt.

 

Daran ändert auch die (auflösend bedingte) Übertragung der Obsorge auf den Vater mit Beschluss des BG Thalgau vom 18. Oktober 2011 nichts. Das Gesetz stellt nur auf die tatsächlichen Verhältnisse und nicht darauf ab, wem die Obsorge zukommt. Selbst eine rechtskräftige Entscheidung über die Obsorgeübertragung hat daher keinen Einfluss auf die grundsätzliche Geldunterhaltspflicht des (noch) nicht betreuenden obsorgeberechtigten Elternteils. Der Vereitelung der Durchsetzung derartiger Beschlüsse ist ausschließlich mit den dafür vorgesehenen Mitteln des AußStrG (§ 111a, § 110 Abs 2 iVm § 79 Abs 2 AußStrG) und allfälligen Schadenersatzansprüchen gegenüber dem betreuenden Elternteil zu begegnen.

 

Diese Grundsätze haben selbst in Fällen internationaler Kindesentführung zu gelten. Bei der Entscheidung über den Kindesunterhalt kommt es eben nicht auf Umstände auf Seiten des entführenden Elternteils, sondern ausschließlich auf jene des Kindes an; nur dessen Interessen sind zu wahren. Der Kindesunterhalt dient der Deckung der angemessenen Bedürfnisse des Kindes; dessen Bedarf an Nahrung, Kleidung, Wohnung, medizinischer Versorgung etc bleibt unabhängig davon aufrecht, ob es sich rechtmäßig im Ausland aufhält oder widerrechtlich ins Ausland verbracht wurde. Selbst das widerrechtliche Verbringen oder Zurückhalten eines Kindes durch einen Elternteil bewirkt kein Erlöschen seines Unterhaltsanspruchs.

 

Ob ein Dritter, der dem Kind Unterhalt leistet, damit dessen Unterhaltsforderung tilgt, hängt davon ab, ob der Drittzahler diese Leistung in Erwartung des Ersatzes vom Schuldner erbringt und dadurch einen eigenen Anspruch nach § 1042 ABGB gegen den Schuldner erwirbt. Das Erlöschen des Unterhaltsanspruchs ist demnach von der Absicht des Drittzahlers abhängig. Entgegen der Auffassung des Revisionsrekurswerbers blieben die Feststellungen zu diesem Aspekt nicht mangelhaft. Nach der stRsp drückt eine mit Wissen der Mutter erfolgte Geltendmachung des Anspruchs durch das Kind im außerstreitigen Verfahren deren Willen aus, den von ihr gezahlten Betrag dem Kind nur vorschussweise zur Verfügung stellen zu wollen.