OGH: Zur Reichweite der Warnpflichten eines Werkunternehmers in Bezug auf eine mangelhafte Vorleistung eines anderen Werkunternehmers, auf welche dessen Gewerk nicht unmittelbar aufbaut
Es trifft bei gemeinsamer Herstellung eines Werks jeden Unternehmer die Pflicht, alles zu vermeiden, was dessen Gelingen vereiteln könnte, und infolge des im Bauwesen typischen Zusammenwirkens von Bauherrn, bauausführenden Unternehmen und Sonderfachleuten die regelmäßige Nebenpflicht zur Kooperation zwischen Werkbesteller und ausführenden Werkunternehmern mit gegenseitigen Aufklärungs- und Kontrollpflichten, auch wenn keiner von ihnen zum Generalunternehmer bestellt wurde („technischer Schulterschluss“); diese dürfen allerdings nicht überspannt werden; die Warnpflicht besteht immer nur im Rahmen der eigenen Leistungspflicht des Unternehmers und der damit verbundenen Schutz- und Sorgfaltspflichten; die Aufklärungspflicht geht jedenfalls nicht so weit, dass der Werkunternehmer davon ausgehen müsste, dass sein (fachkundiger) „Vormann“ nicht fachgerecht arbeiten werde
§§ 1165 ff ABGB, § 1168a ABGB
GZ 7 Ob 152/16b, 13.10.2016
Die Beklagte hat ihre eigene Werkleistung ordnungsgemäß erbracht. Im vorliegenden Verfahren geht es ausschließlich um die Frage, ob sie die Kläger davor warnen hätte müssen, dass die von einem anderen Werkunternehmer (Fliesenleger) erbrachte Leistung, auf die sie nicht aufbaute, mangelhaft ist.
OGH: Misslingt das Werk infolge offenbarer Untauglichkeit des vom Besteller gegebenen Stoffs oder offenbar unrichtiger Anweisungen des Bestellers, so ist der Unternehmer gem § 1168a Satz 3 ABGB für den Schaden verantwortlich, wenn er den Besteller nicht gewarnt hat. Als „offenbar“ ist dabei anzusehen, was vom Unternehmer bei der von ihm vorausgesetzten Sachkenntnis erkannt werden muss. Abzustellen ist auf jene Kenntnisse, die nach einem objektiven Maßstab (§ 1299 ABGB) den Angehörigen der betreffenden Branche gewöhnlich eigen sind. Unter „Stoff“ ist alles zu verstehen, aus dem oder mit dem das Werk herzustellen ist. Dazu zählen auch Vorarbeiten eines anderen Unternehmers und Vorarbeiten des Bestellers, auf denen der Werkunternehmer aufbauen muss.
Nach stRsp hat sich jeder Vertragspartner so zu verhalten, wie es der andere in der gegebenen Situation mit Rücksicht auf den konkreten Vertragszweck, die besondere Art der Leistung und die Erfordernisse eines loyalen Zusammenwirkens erwarten darf, damit die Erreichung des Vertragszwecks nicht vereitelt, sondern erleichtert und Schaden verhütet wird. Bilden die mit verschiedenen Lieferanten abgeschlossenen Verträge eine wirtschaftliche Einheit, besteht grundsätzlich eine Rechtspflicht zur Koordination der selbständigen Teilleistungen der verschiedenen Vertragspartner. Es trifft also bei gemeinsamer Herstellung eines Werks jeden Unternehmer die Pflicht, alles zu vermeiden, was dessen Gelingen vereiteln könnte, und infolge des im Bauwesen typischen Zusammenwirkens von Bauherrn, bauausführenden Unternehmen und Sonderfachleuten die regelmäßige Nebenpflicht zur Kooperation zwischen Werkbesteller und ausführenden Werkunternehmern mit gegenseitigen Aufklärungs- und Kontrollpflichten, auch wenn keiner von ihnen zum Generalunternehmer bestellt wurde („technischer Schulterschluss“). Diese dürfen allerdings nicht überspannt werden. Die Warnpflicht besteht immer nur im Rahmen der eigenen Leistungspflicht des Unternehmers und der damit verbundenen Schutz- und Sorgfaltspflichten. Die Aufklärungspflicht geht jedenfalls nicht so weit, dass der Werkunternehmer davon ausgehen müsste, dass sein (fachkundiger) „Vormann“ nicht fachgerecht arbeiten werde.
Der Beklagten ist im Zuge der Durchführung der Wärmedämmarbeiten die fehlerhafte Feuchtigkeitsisolierung nicht aufgefallen. Ihr hätte dies bei Erbringung dieser Werkleistung unmittelbar auch nicht auffallen müssen, weil ihre Arbeiten an der Unterseite des Terrassenaufbaus anschlossen; der Mangel befand sich jedoch auf deren Oberseite ausschließlich im Werk des Fliesenlegers. Damit kommt aber eine Haftung der Beklagten für den eingetretenen Wasserschaden nur dann in Betracht, wenn sie eine besondere Kontrollpflicht in Bezug auf die wasserdichte Ausführung der Terrasse getroffen hätte. Eine solche bestand hier aber nicht:
Im vorliegenden Fall handelt es sich bei den Werkleistungen des Fliesenlegers und der Beklagten um zwei getrennte Gewerke. Die Wärmedämmarbeiten der Beklagten an der Fassade bauen nicht auf den Sanierungsarbeiten des Fliesenlegers an der Terrasse auf. Die Wärmedämmarbeiten stehen in keinem technischen Zusammenhang mit der vom Fliesenleger geschuldeten Terrassenabdichtung. Dieser hätte im Rahmen seiner eigenen Leistungserbringung dafür sorgen müssen, dass das Wasser oberflächlich abgeleitet wird und nicht bis zur Decke/zum Mauerwerk vordringen kann und in weiterer Folge Wände und Wärmeisolierung beschädigt. Die Wärmedämmarbeiten der Beklagten spielten für die Herbeiführung einer ordnungsgemäßen Wasserableitung keine Rolle; ihre Tätigkeit hat auch nicht zu deren Misslingen beigetragen. Die Gefahr der Vereitelung des Erfolgs, die sich aus dem Zusammenwirken mehrerer Unternehmer bei Erstellung eines Werks ergibt, hat sich hier gerade nicht verwirklicht. Bezogen auf die Terrassenabdichtung bestand daher eine von der stRsp anerkannte Kooperationsverpflichtung infolge eines „technischen Schulterschlusses“ und eine darauf gegründete Kontrollpflicht ebenso wenig wie eine allgemeine Prüfpflicht betreffend die Arbeiten des Vormanns.
Allein daraus, dass sich das Gewerk eines anderen Unternehmers nachteilig auf das eigene Gewerk auswirken kann, wenn es nicht ordnungsgemäß ausgeführt wird, folgt noch keine Prüfpflicht des Werkunternehmers. Besondere Koordinations- und Prüfpflichten wurden von der Beklagten nicht übernommen.
Die Entscheidung 8 Ob 42/05t betrifft den nicht vergleichbaren Fall, dass der Werkunternehmer eine unzureichende Absicherung von Lichtschächten durch einen anderen Werkunternehmer erkannt, darauf Kies aufgebracht und damit die Gefahr des Betretens der Lichtschächte vergrößert hat.
Im Rahmen der von der Beklagten allein geschuldeten Aufbringung einer Wärmedämmung samt Verputz an der Außenmauer kann ihr demnach insgesamt keine Verletzung der Warnpflicht bezogen auf die vom Fliesenleger mangelhaft aufgebrachte Feuchtigkeitsisolierung der Terrasse vorgeworfen werden.
Damit hat die Beklagte den eingetretenen Wasserschaden nicht zu verantworten.