15.11.2016 Arbeits- und Sozialrecht

OGH: Verzichtserklärung des Arbeitnehmers (iZm Arbeitskräfteüberlassung)

Punkt XIX des Kollektivvertrags für das Gewerbe der Arbeitskräfteüberlassung, nach dem eine bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses abgegebene Verzichtserklärung des Arbeitnehmers auf seine Ansprüche vom Arbeitnehmer innerhalb von fünf Tagen nach Aushändigung und Auszahlung der Endabrechnung widerrufen werden kann, ist nur auf wirksame Verzichtserklärungen anzuwenden; eine unwirksame Verzichtserklärung (hier: vor der Aushändigung der Endabrechnung und damit vor einer vollständigen wirtschaftlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses abgegebene, vom Arbeitgeber vorformulierte Verzichtserklärung) wird durch die Unterlassung des Widerrufs nicht wirksam


Schlagworte: Verzichtserklärung des Arbeitnehmers, Arbeitskräfteüberlassung
Gesetze:

 

§ 1444 ABGB, § 40 AngG, Punkt XIX des Kollektivvertrags für das Gewerbe der Arbeitskräfteüberlassung

 

GZ 8 ObA 11/16z, 29.03.2016

 

OGH: Zutreffend hat das Berufungsgericht darauf verwiesen, dass nach stRsp des OGH ein Verzicht auf unabdingbare Ansprüche eines Arbeitnehmers nicht nur während des aufrechten Arbeitsverhältnisses, sondern solange unwirksam ist, als sich dieser in der typischen Unterlegenheitsposition eines Arbeitnehmers befindet („Drucktheorie“). Entscheidend ist, ob von einer vollständigen wirtschaftlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gesprochen werden kann und die persönliche Abhängigkeit des Arbeitnehmers zum Zeitpunkt der Vereinbarung nicht mehr ins Gewicht fällt. Dies ist vor der endgültigen Abrechnung der Ansprüche des Arbeitnehmers bzw vor deren Fälligkeit nicht der Fall. Ein dessen ungeachtet abgegebener Verzicht ist unwirksam.

 

Hier hat der Kläger die - vom Arbeitgeber formulierte, die Erklärung der Vollständigkeit der Lohnabrechnung und sämtliche Forderungen aus dem Arbeitsverhältnis umfassende - Verzichtserklärung unstrittig vor Erhalt seiner Endabrechnung sowie seiner noch ausstehenden Entgeltansprüche unterschrieben und abgesendet. An der Unwirksamkeit dieser Erklärung iSd genannten Rsp kann daher kein Zweifel bestehen (weitere Überlegungen über die Rechtsfolgen einer Erklärung, der das Zugeständnis der Vollständigkeit einer noch gar nicht erfolgten Lohnabrechnung zugrunde liegt, sind daher entbehrlich).

 

Punkt XIX Z 3 des Kollektivvertrags für das Gewerbe der Arbeitskräfteüberlassung (in der für das Jahr 2013 geltenden ebenso wie in der am 1. Jänner 2015 in Kraft getretenen Fassung) lautet: „3. Eine Verzichtserklärung des Arbeitnehmers bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses auf seine Ansprüche kann von diesem innerhalb von 5 Arbeitstagen nach Aushändigung und Auszahlung der Endabrechnung rechtswirksam widerrufen werden.“

 

Das Berufungsgericht ist mit ausführlicher Begründung davon ausgegangen, dass diese Bestimmung nur wirksame Verzichtserklärungen umfassen kann. Diese Rechtsauffassung ist zutreffend, sodass es ausreicht, auf ihre Richtigkeit und auf die dazu angestellten Überlegungen des Berufungsgerichts zu verweisen (§ 510 Abs 3 ZPO).

 

Entgegen der Meinung der Revisionswerberin handelt es sich bei Punkt XIX Z 3 des Kollektivvertrags - wie schon das Berufungsgericht ausgeführt hat - um eine Schutzbestimmung zugunsten des Arbeitnehmers. Den Kollektivvertragsparteien kann daher nicht ernsthaft zugesonnen werden, sie hätten damit auch das - andere Grundsätze zum Schutz des Arbeitnehmers unterlaufende - Ziel verfolgt, der Arbeitnehmer müsse einer unwirksamen Verzichtserklärung widersprechen, um deren Wirksamwerden zu verhindern.