OGH: Zu „Schockrechnungen“ durch den Access-Provider
Jene Leistungen, die unter Verletzung von Schutz- und Sorgfaltspflichten durch den Betreiber entstanden und von unbefugten Dritten abgerufen worden sind, sind nicht zu vergüten
§§ 1295 ff ABGB, § 1169 ABGB, § 914 ABGB
GZ 4 Ob 30/16i, 15.06.2016
OGH: Die einem Betreiber von Kommunikationsdiensten obliegenden Schutz- und Sorgfaltspflichten erfordern bei ungewöhnlich hohen Verbindungsentgelten eine Reaktion, etwa in Form einer Warnnachricht. Das bloße Absenden einer Warnnachricht, ohne dass sich der Betreiber versichert, dass ihr Inhalt dem Nutzer auch tatsächlich zur Kenntnis gelangt, ist idR nicht ausreichend. Gerade weil Telekommunikationsunternehmen wissen, dass der Kunde oftmals überfordert ist, sind sehr strenge Schutz-, Aufklärungs- und Sorgfaltspflichten anzunehmen.
Hier erbrachte der Betreiber Verbindungsleistungen im Rahmen eines ISDN-Anschlusses. Die - im Anlassfall verwirklichte - Gefahr eines Hackerzugriffs wäre für ihn insofern beherrschbar gewesen, als es ihm sowohl personell als auch technisch leicht möglich gewesen wäre, das Wirksamwerden dieser Gefahr durch ein Gebührenmonitoring und eine entsprechende Warnung des Kunden zu verhindern. Entsprechende Schutzmaßnahmen hätten vollautomatisiert und ohne Personaleinsatz erfolgen können, überdies wurde im Nachhinein 2014 ohnehin ein Gebührenmonitoring auf Basis der übermittelten Verrechnungsdaten eingeführt. Der Kunde selbst hatte hingegen keine Möglichkeit, die Gefahr eines Hackerangriffs durch eigene Vorkehrungen abzuwenden, zumal er keine Änderungen der Basiseinstellungen an der - durch ein Drittunternehmen installierten - Telefonanlage vornehmen konnte. Es überspannt daher nicht die Schutz- und Sorgfaltspflichten des Betreibers von Kommunikationsdiensten, wenn man von ihm verlangt, leicht mögliche Maßnahmen zur Abwehr von Hackerangriffen zu ergreifen.
Eine Verletzung dieser Verpflichtungen macht gem § 1295 ABGB schadenersatzpflichtig. Es führt aber auch hier eine ergänzende Vertragsauslegung der AGB zum Ergebnis, dass jene Leistungen, die unter Verletzung von Schutz- und Sorgfaltspflichten durch den Betreiber erbracht wurden, nicht zu vergüten sind.