07.11.2016 Verfahrensrecht

OGH: Wiederaufnahmsklage gem § 530 ZPO (iZm falscher Beweisaussage)

Wird die Wiederaufnahmsklage von einem Gericht höherer Instanz zurückgewiesen, dann ist für das Rechtsmittel dagegen der OGH zuständig und es gelten die Beschränkungen der §§ 519 und 528 ZPO; wenn das Gericht mit Urteil entscheidet, findet dagegen nur die Revision statt, deren Zulässigkeit nach § 502 ZPO zu prüfen ist; in dem Urteil des Berufungsgerichts sind daher die Aussprüche nach § 500 Abs 2 ZPO aufzunehmen; Anderes gilt jedoch, wenn – wie im vorliegenden Fall – das Berufungsgericht des Vorprozesses die Wiederaufnahmsklage zurückweist; dagegen ist der Rekurs an den OGH zulässig, weil dies dem Fall des § 519 Abs 1 Z 1 ZPO gleichzuhalten ist, sodass es weder auf den Wert des Entscheidungsgegenstands noch auf eine erhebliche Rechtsfrage ankommt; daher ist in diesem Fall auch ein Zulässigkeitsausspruch nicht erforderlich


Schlagworte: Wiederaufnahmsklage, falsche Beweisaussage, Rechtsmittel
Gesetze:

 

§ 530 ZPO, § 532 ZPO, § 535 ZPO, § 519 ZPO, § 528 ZPO, § 500 ZPO, § 502 ZPO, § 539 ZPO

 

GZ 6 Ob 189/16m, 27.09.2016

 

OGH: Nach § 532 Abs 2 ZPO muss eine Wiederaufnahmsklage, die auf einen anderen Wiederaufnahmsgrund als den des § 530 Z 4 ZPO gestützt ist, bei dem „bezüglichen Gerichte höherer Instanz angebracht werden“, wenn „nur dessen Entscheidung von den geltend gemachten Anfechtungsgrunde betroffen wird“. Dabei ist nicht entscheidend, dass der Zeuge R***** bei seiner Vernehmung vor dem Berufungsgericht falsch ausgesagt habe. Für die Frage, ob zur Entscheidung über eine Wiederaufnahmsklage das Berufungsgericht zuständig ist, ist vielmehr allein maßgebend, ob es abweichend vom Erstgericht zu einer anderen Sachverhaltsfeststellung gelangte. Es kommt darauf an, bei welchem Gericht die streitentscheidenden Feststellungen getroffen wurden. Im vorliegenden Fall ist das Berufungsgericht im damaligen Verfahren von den erstgerichtlichen Feststellungen nach Beweiswiederholung abgegangen und hat sich dabei in seiner Beweiswürdigung maßgeblich auf den Zeugen R***** gestützt. Hätte dem gegenüber das Berufungsgericht nach Beweiswiederholung die maßgeblichen Feststellungen des Erstgerichts übernommen, wäre zur Verhandlung und Entscheidung über die Wiederaufnahmsklage das Erstgericht zuständig.

 

Nach § 535 ZPO sind, wenn die Klage – wie im vorliegenden Fall – nicht bei dem Gericht erhoben wird, das in den früheren Verfahren in erster Instanz erkannt hat, in Ansehung der Anfechtbarkeit der Entscheidung diejenigen Bestimmungen maßgebend, welche für das höhere Gericht als Rechtsmittelinstanz maßgebend wären.

 

Wird die Wiederaufnahmsklage daher von einem Gericht höherer Instanz zurückgewiesen, dann ist für das Rechtsmittel dagegen der OGH zuständig und es gelten die Beschränkungen der §§ 519 und 528 ZPO. Wenn das Gericht mit Urteil entscheidet, findet dagegen nur die Revision statt, deren Zulässigkeit nach § 502 ZPO zu prüfen ist. In dem Urteil des Berufungsgerichts sind daher die Aussprüche nach § 500 Abs 2 ZPO aufzunehmen.

 

Anderes gilt jedoch, wenn – wie im vorliegenden Fall – das Berufungsgericht des Vorprozesses die Wiederaufnahmsklage zurückweist. Dagegen ist der Rekurs an den OGH zulässig, weil dies dem Fall des § 519 Abs 1 Z 1 ZPO gleichzuhalten ist, sodass es weder auf den Wert des Entscheidungsgegenstands noch auf eine erhebliche Rechtsfrage ankommt. Daher ist in diesem Fall auch ein Zulässigkeitsausspruch nicht erforderlich.

 

Die Zustellung der Entscheidung über die Wiederaufnahmsklage hat stets über das Erstgericht des Vorprozesses zu erfolgen, bei dem auch die Rechtsmittel gegen diese Entscheidung einzubringen sind (Judikat 58). Daraus folgt auch, dass Rechtsmittel gegen die im Verfahren über eine Nichtigkeitsklage oder Wiederaufnahmsklage ergebenden Entscheidungen stets bei dem Gericht einzubringen sind, das im Vorprozess in erster Instanz eingeschritten ist, auch wenn das Berufungsgericht des Vorprozesses in erster Instanz entscheidet. Im vorliegenden Fall wurde demgegenüber der Rekurs beim OLG Wien eingebracht.

 

Daran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, dass das OLG Wien entgegen der Rsp die Entscheidung den Parteien direkt zustellte. Nach stRsp gilt das Judikat 58 nämlich auch dann, wenn das Berufungsgericht seine Entscheidung über die Nichtigkeitsklage oder Wiederaufnahmsklage den Parteien nicht im Wege des Erstgerichts, sondern unmittelbar zugestellt hat.

 

Wird ein Rechtsmittel beim falschen Gericht eingebracht, dann ist für seine Rechtzeitigkeit das Einlangen beim richtigen Gericht maßgebend. Beim Handelsgericht Wien als Erstgericht des Vorprozesses ist der Rekurs jedoch bisher nicht eingelangt und kann dort auch nicht mehr rechtzeitig einlangen, weil die 14-tägige Rekursfrist jedenfalls abgelaufen ist.

 

Damit erweist sich der Rekurs aber als verspätet, sodass er spruchgemäß zurückzuweisen war. Gleiches gilt für die Rekursbeantwortung, weil auch diese nicht rechtzeitig beim Erstgericht eingelangt ist und dort auch nicht mehr einlangen kann.

 

Lediglich der Vollständigkeit halber ist darauf zu verweisen, dass das Zivilgericht an die Einstellung der Staatsanwaltschaft gebunden ist. Das Prozessgericht hat nicht selbst darüber zu entscheiden, ob eine strafbare Handlung vorliegt. Die in § 539 ZPO angeordnete Bindungswirkung ist nach stRsp verfassungsrechtlich unbedenklich. Wenn die Rechtsordnung die Wiederaufnahme eines bereits rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens Einschränkungen unterwirft, entspricht dies dem – gleichfalls von Art 6 EMRK geschützten – Gebot der Rechtssicherheit.