07.11.2016 Zivilrecht

OGH: Zur Versicherung für fremde Rechnung

Die von der Eigentümergemeinschaft abgeschlossene Versicherung für fremde Rechnung ist ein unechter Vertrag zugunsten Dritter, welcher Schutz- und Sorgfaltspflichten zugunsten der einzelnen Wohnungseigentümer entfaltet


Schlagworte: Versicherungsrecht, Gebäudehaftpflichtversicherung, Wohnungseigentumsrecht, Eigentümergemeinschaft, Versicherung für fremde Rechnung, unechter Vertrag zugunsten Dritter, Schutz- und Sorgfaltspflichten, Schadenersatz
Gesetze:

 

§ 75 VersVG, § 149 VersVG, § 18 WEG, § 881 ABGB, § 1295 ABGB

 

GZ 7 Ob 96/16t, 28.09.2016

 

OGH: Eine Versicherung für fremde Rechnung liegt vor, wenn ein Versicherungsnehmer im eigenen Namen einen Versicherungsvertrag schließt, der fremde Interessen zum Gegenstand hat. Es besteht ein Versicherungsverhältnis, aus dem mehrere Personen begünstigt werden, wobei der einzelne Versicherte im Versicherungsvertrag nicht namentlich genannt sein muss. Der Versicherungsnehmer ist Vertragspartner des Versicherers, der Vertrag kommt auch ohne Einwilligung des Versicherten zustande; dieser muss davon nicht einmal Kenntnis haben. Deshalb kann nur der Versicherungsnehmer Erklärungen abgeben, die sich auf den Versicherungsvertrag beziehen, zB den Vertrag kündigen oder anfechten. Die Pflichten aus dem Vertrag treffen nur den Versicherungsnehmer; er allein schuldet die Prämien. Zwar stehen dem Versicherten nach § 75 Abs 1 VersVG alle Rechte aus dem Vertrag - mit Ausnahme des Rechts auf Aushändigung des Versicherungsscheins - zu; die Verfügung über diese Rechte steht jedoch grundsätzlich nicht dem Versicherten, sondern dem Versicherungsnehmer zu. Die Versicherung für fremde Rechnung entspricht daher dem Modell eines unechten Vertrags zugunsten Dritter. Die Spaltung der Rechtsposition zwischen materieller Rechtsträgerschaft und formeller Verfügungsberechtigung dient va dem Schutz des Versicherers: Für ihn soll klargestellt sein, dass er sich in allen Angelegenheiten des Versicherungsfalls nur mit dem Versicherungsnehmer und nicht mit dem Versicherten auseinandersetzen muss.

 

Auch ein unechter Vertrag zugunsten Dritter kann Schutzwirkungen zugunsten des begünstigten Dritten entfalten: Dem Versicherers ist bei der Versicherung für fremde Rechnung von vornherein klar, dass die Interessen von Dritten, den Versicherten, geschützt werden sollen und ihnen schon nach dem Vertragszweck auch die Hauptleistung zukommen kann. So ist auch beim Abschluss eines (Gebäude-)Haftpflichtversicherungsvertrags durch die Eigentümergemeinschaft dem Versicherer nicht nur der Kontakt des einzelnen Wohnungseigentümers mit der Hauptleistung vorhersehbar, ihm ist auch erkennbar, dass der Vertragspartner (die Eigentümergemeinschaft) die Wohnungseigentümer begünstigen will. Der einzelne Wohnungseigentümer ist daher in den Schutzbereich des zwischen der Eigentümergemeinschaft und dem Versicherer abgeschlossenen Versicherungsvertrags einbezogen. Aus dem Versicherungsvertrag zwischen der Eigentümergemeinschaft und der Beklagten ergeben sich demnach Schutz- und Sorgfaltspflichten zugunsten einzelner Wohnungseigentümer.