OGH: Ablehnung der Ausübung der persönlichen Kontakte durch über 14-jährigen – besondere Entscheidungen im Verfahren über das Recht auf persönliche Kontakte iSd § 108 AußStrG
Die unterlassene Belehrung der Minderjährigen nach § 108 AußStrG und der unterbliebene Versuch einer gütlichen Einigung können aus Gründen des Kindeswohls noch im Revisionsrekursverfahren geltend gemacht werden; § 108 AußStrG findet schon seinem Wortlaut nach auf noch nicht vierzehnjährige Kinder keine Anwendung
§ 108 AußStrG, § 186 ABGB, § 187 ABGB
GZ 5 Ob 94/16h, 29.09.2016
OGH: Lehnt ein Minderjähriger, der das 14. Lebensjahr bereits vollendet hat, ausdrücklich die Ausübung der persönlichen Kontakte ab und bleiben eine Belehrung über die Rechtslage und darüber, dass die Anbahnung oder Aufrechterhaltung des Kontakts mit beiden Elternteilen grundsätzlich seinem Wohl entspricht, sowie der Versuch einer gütlichen Einigung erfolglos, so ist gem § 108 AußStrG der Antrag auf Regelung der persönlichen Kontakte ohne weitere inhaltliche Prüfung abzuweisen (§ 108 AußStrG).
Der erkennende Senat hat zu § 108 AußStrG zuletzt in der Entscheidung 5 Ob 242/15x Stellung genommen und festgehalten, dass die nach dieser Bestimmung vorgesehene Belehrung der Minderjährigen und der Versuch einer gütlichen Einigung inhaltlich zwar Verfahrensvorschriften darstellen, die aber gezielt der Wahrung des Kindeswohls dienen, und deren Einhaltung zugleich ausdrückliche gesetzliche Voraussetzung dafür ist, den Antrag auf Kontaktrechtsregelung „ohne weitere inhaltliche Prüfung abzuweisen und von der Fortsetzung der Durchsetzung abzusehen“. Die unterlassene Belehrung der Minderjährigen nach § 108 AußStrG und der unterbliebene Versuch einer gütlichen Einigung können daher aus Gründen des Kindeswohls noch im Revisionsrekursverfahren geltend gemacht werden. Dass das Erstgericht in dem der Entscheidung 5 Ob 242/15x zugrunde liegenden Verfahren vor seiner Entscheidung mit der Minderjährigen zwar ein Gespräch geführt, diese aber nach dem darüber aufgenommenen Aktenvermerk nicht iSd § 108 AußStrG belehrt und auch keinen nachvollziehbaren Versuch einer gütlichen Einigung unternommen hatte, wurde als Mangel aufgegriffen und dem Erstgericht die Ergänzung des Verfahrens aufgetragen.
Auch im vorliegenden Fall fand nach der Aktenlage weder die in § 108 AußStrG geforderte Belehrung statt, noch erfolgte ein Versuch einer gütlichen Einigung, wie sie für eine Vorgangsweise nach dieser Bestimmung erforderlich ist. Bereits aus diesem Grund hält eine auf § 108 AußStrG gestützte Abweisung des Kontaktrechtsantrags des Vaters einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.
Die Befragung der minderjährigen Töchter erfolgte am 27. 5. 2013. Damals waren die Mädchen 12 und 9 Jahre alt. § 108 AußStrG findet schon seinem Wortlaut nach auf noch nicht vierzehnjährige Kinder keine Anwendung.
Es trifft zwar zu, dass nach der Rsp der Verweigerung des Kontakts mit dem Vater durch unmündige Minderjährige ein gewisses Gewicht bei der Beurteilung zukommt, inwieweit gegen ihren feststehenden Willen die Ausübung des Besuchsrechts ermöglicht werden soll, weil dadurch die ablehnende Haltung des Kindes vertieft und verstärkt werden kann. Nur insofern stellt die Mündigkeit keine starre Grenze für die Beachtlichkeit der Verweigerung des persönlichen Verkehrs durch Minderjährige dar; die Konsequenzen des § 108 AußStrG können an die Weigerung unmündiger Minderjähriger aber nicht geknüpft werden. Auch insoweit zeigt sich die Entscheidung des Rekursgerichts, das die Abweisung des Antrags auch hinsichtlich der minderjährigen V***** mit der Bestimmung des § 108 AußStrG begründete, als fehlerhaft.