VwGH: Verfahren vor dem Verwaltungsgericht und entschiedene Sache iSd § 68 AVG
Der VwGH hat zum VwGVG bereits ausgesprochen, dass auf dem Boden der tragenden Grundsätze des Verfahrensrechts und der Rechtssicherheit über in Rechtskraft erwachsene Entscheidungen grundsätzlich nicht mehr in merito entschieden werden darf; die Beachtung rechtskräftiger Entscheidungen zählt zu den Grundsätzen eines geordneten rechtsstaatlichen Verfahrens; dieser Grundsatz ist insbesondere auch dann zu beachten, wenn § 17 VwGVG eine sinngemäße Anwendung des IV. Teils des AVG und damit des § 68 Abs 1 AVG im Rahmen des VwGVG nicht vorsieht
§ 17 VwGVG, § 68 AVG
GZ Ro 2015/03/0045, 13.09.2016
VwGH: Der VwGH hat zum VwGVG bereits ausgesprochen, dass auf dem Boden der tragenden Grundsätze des Verfahrensrechts und der Rechtssicherheit über in Rechtskraft erwachsene Entscheidungen grundsätzlich nicht mehr in merito entschieden werden darf. Die Beachtung rechtskräftiger Entscheidungen zählt zu den Grundsätzen eines geordneten rechtsstaatlichen Verfahrens. Dieser Grundsatz ist insbesondere auch dann zu beachten, wenn § 17 VwGVG eine sinngemäße Anwendung des IV. Teils des AVG und damit des § 68 Abs 1 AVG im Rahmen des VwGVG nicht vorsieht. Fest steht weiters, dass auch die Entscheidung eines VwG mit ihrer Erlassung rechtskräftig werden, wobei alle Parteien eines rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens einen Rechtsanspruch auf Beachtung der eingetretenen Rechtskraft haben. Aus der danach grundsätzlich einschlägigen Rsp zu § 68 AVG ist abzuleiten, dass über ein und dieselbe Rechtssache nur einmal rechtskräftig zu entscheiden ist (ne bis in idem). Mit der Rechtskraft ist die Wirkung verbunden, dass die mit der Entscheidung unanfechtbar und unwiderruflich erledigte Sache nicht neuerlich entschieden werden kann (Wiederholungsverbot). Einer nochmaligen Entscheidung steht das Prozesshindernis der entschiedenen Sache (res iudicata) entgegen. Zudem folgt aus dem Gedanken der materiellen Rechtskraft grundsätzlich eine Bindungswirkung an eine behördliche Entscheidung. Dieser tragende Grundsatz soll in erster Linie die wiederholte Aufrollung einer bereits entschiedenen Sache (ohne nachträgliche Änderung der Sach- und Rechtslage) verhindern; die objektive (sachliche) Grenze dieser Wirkung der Rechtskraft wird durch die entschiedene Sache, also durch die Identität der Rechtssache, über die bereits mit einer formell rechtskräftigen Entscheidung abgesprochen wurde, mit der nunmehr vorliegenden (etwa der in einem neuen Antrag intendierten) bestimmt. "Sache" einer rechtskräftigen Entscheidung ist dabei stets der im Bescheid enthaltene Ausspruch über die verwaltungsrechtliche Angelegenheit, die durch den Bescheid ihre Erledigung gefunden hat, und zwar aufgrund der Sachlage, wie sie in dem von der Behörde angenommenen maßgebenden Sachverhalt zum Ausdruck kommt, und der Rechtslage, auf die sich die Behörde bei ihrem Bescheid gestützt hat.
Der revisionswerbenden Partei ist einzuräumen, dass durch den rechtskräftigen Bescheid der belBeh vor dem VwG vom 25. Oktober 2013 den von ihr mit der mitbeteiligten Partei abgeschlossenen Verträgen nicht formell derogiert wurde. Es wurde derart nicht ausdrücklich ausgesprochen, dass die jeweiligen konkreten Vertragsurkunden ausdrücklich abgeändert würden, sodass die hier gegenständlichen, mit Bescheid vom 25. Oktober 2013 für unwirksam erklärten Klauseln aus diesen Vertragsurkunden förmlich getilgt würden.
Allerdings wurde der mitbeteiligten Partei im Spruch des Bescheides vom 25. Oktober 2013 (unter Spruchpunkt 5)) ausdrücklich aufgetragen, es "ab Zustellung dieses Bescheides zu unterlassen, sich gegenüber den Zugangsberechtigten" - somit auch gegenüber der revisionswerbenden Partei - "auf die ... für unwirksam erklärten Bestimmungen zu berufen."
Vor dem Hintergrund des der Erlassung des Bescheides vom 25. Oktober 2013 zugrunde liegenden Verfahrens der Wettbewerbsaufsicht, in dem ohnehin sowohl die Revisionswerberin als auch die Mitbeteiligte Parteistellung hatten und Adressaten des Bescheides waren, kann diese Unterlassungsverpflichtung nicht anders verstanden werden, als dass auf ihrem Wege die Unwirksamkeitserklärung auf den Inhalt der konkreten Vereinbarungen zwischen der Revisionswerberin und der Mitbeteiligten durchschlägt. Schon auf Grund dieses ausdrücklich normierten Unterlassungsgebotes ergibt sich, dass die Revisionswerberin durch die von ihr angestrebte förmliche Unwirksamkeitserklärung der in den konkreten Vertragsurkunden enthaltenen Bestimmungen (von denen sie auch nicht behauptet, dass sie weitergehend wären als die durch den Bescheid vom 25. Oktober 2013 unwirksam erklärten) keine bessere Rechtsstellung erlangen könnte. Bei dieser Konstellation erweist sich der Antrag der Revisionswerberin vom 16. Mai 2014 iSd § 68 Abs 1 AVG als auf dieselbe Sache gerichtet, über welche bereits mit dem Bescheid vom 25. Oktober 2013 rechtskräftig abgesprochen worden war.