24.10.2016 Zivilrecht

OGH: WEG 1975, WEG 2002 iZm Tiefgarage unter zwei getrennten Grundbuchskörpern

Ein „grenzüberschreitendes Wohnungseigentum“ war nach dem WEG 1975 und ist auch unter dem Regime des WEG 2002 nicht möglich; eine Garage, soll sie ein wohnungseigentumstaugliches Objekt darstellen, muss daher innerhalb der Grundstücksgrenzen baulich abgetrennt sein; auch die seit dem WEG 2002 (§ 13 WEG 2002) mögliche Begründung von Wohnungseigentum für die Eigentümerpartnerschaft setzt voraus, dass diese Eigentümer je eines halben Miteigentumsanteils sind und damit Miteigentum am selben Grundbuchskörper haben


Schlagworte: Wohnungseigentumsrecht, Tiefgarage unter zwei getrennten Grundbuchskörpern, Wohnungseigentumsbegründung
Gesetze:

 

§ 2 WEG 2002, § 56 WEG 2002, § 13 WEG 2002, § 3 GBG

 

GZ 5 Ob 60/16h, 25.08.2016

 

OGH: Nach dem WEG 1975 konnte an Abstellplätzen für Kraftfahrzeuge – abgesehen von jenen in Parkhäusern – Wohnungseigentum (nur) insoweit begründet werden, als es sich entweder um „selbstständige in sich geschlossene Räume zur Einstellung von Kraftfahrzeugen“ (§ 1 Abs 1 Satz 2 WEG 1975) oder um „mit selbstständigen Wohnungen oder sonstigen selbstständigen Räumlichkeiten“ als Zubehör verbundene „Abstellplätze für höchstens zwei Kraftfahrzeuge je selbstständige Wohnung oder sonstige selbstständige Räumlichkeit der Liegenschaft“ handelt (§ 1 Abs 2 WEG 1975).

 

War vor dem 1. 7. 2002 selbstständiges Wohnungseigentum entgegen der Bestimmung des § 1 Abs 2 WEG 1975 an einem Abstellplatz für Kraftfahrzeuge begründet worden, so gilt dieses nach dem 30. Juni 2002 gem § 56 Abs 2 WEG 2002 als wirksam begründet, sofern die Wohnungseigentumsbegründung nach der Rechtslage nach dem WEG 2002 gültig wäre.

 

Eine nach diesen Bestimmungen wirksame Wohnungseigentumsbegründung liegt hier nicht vor:

 

Bereits das WEG 1975 hat das Wohnungseigentum als das dem Miteigentümer einer Liegenschaft eingeräumte dingliche Recht, ein Wohnungseigentumsobjekt ausschließlich zu nutzen und allein darüber zu verfügen, definiert (§ 1 Abs 1 WEG 1975). Das mit 1. 7. 2002 in Kraft getretene WEG 2002 hat diese Definition beibehalten (§ 2 Abs 1 WEG 2002).

 

Als dingliches Recht stellt das Wohnungseigentum auf das Miteigentum an einer einzelnen Liegenschaft ab. Unter Liegenschaft ist stets ein gesamter, einheitlicher Grundbuchskörper (vgl § 3 GBG) zu verstehen. Das Wohnungseigentumsobjekt muss sich daher zur Gänze auf ein und der selben Liegenschaft befinden. Ein „grenzüberschreitendes Wohnungseigentum“ war nach dem WEG 1975 und ist auch unter dem Regime des WEG 2002 nicht möglich. Eine Garage, soll sie ein wohnungseigentumstaugliches Objekt darstellen, muss daher innerhalb der Grundstücksgrenzen baulich abgetrennt sein. Auch die seit dem WEG 2002 (§ 13 WEG 2002) mögliche Begründung von Wohnungseigentum für die Eigentümerpartnerschaft setzt voraus, dass diese Eigentümer je eines halben Miteigentumsanteils sind und damit Miteigentum am selben Grundbuchskörper haben.

 

Nach den auf dem Grundbuchsstand basierenden Feststellungen der Vorinstanzen erstreckt sich die Tiefgarage über zwei selbstständige Grundbuchskörper, ohne dass eine bauliche Abtrennung innerhalb der Grundstücksgrenzen vorhanden wäre, und präsentiert sich damit als einheitliches Bauwerk, das über eine gemeinsame Zufahrt zu erreichen ist. Sowohl mit Miteigentumsanteilen der Antragstellerin an der Liegenschaft EZ 488 als auch mit den Miteigentumsanteilen der Familienprivatstiftung an der Liegenschaft EZ 762 ist nach dem Grundbuchsstand jeweils Wohnungseigentum am Objekt „Tiefgarage“ verbunden.

 

Bei dem als „Tiefgarage“ bezeichneten Objekt handelt es sich daher um eine grenzüberschreitende Anlage, an der sowohl nach den Grundsätzen des WEG 1975 als auch nach der nunmehr geltenden Rechtslage nicht wirksam Wohnungseigentum begründet werden konnte. § 56 Abs 2 WEG 2002 kommt nicht zum Tragen, weil kein selbstständiges Wohnungseigentum an einem Abstellplatz für ein Kraftfahrzeug, sondern (unwirksam) Wohnungseigentum an einer aus mehreren Abstellplätzen bestehenden, nicht innerhalb der Grundstücksgrenzen baulich abgetrennten Tiefgarage begründet worden war. Es liegt daher auch kein nach geltender Rechtslage taugliches Wohnungseigentumsobjekt vor, was aber Voraussetzung für die Anwendbarkeit des § 56 Abs 2 WEG 2002 wäre.

 

In der Rsp des OGH wurde die Begründung von Wohnungseigentum an zwingend allgemeinen Teilen des Hauses bereits mehrfach als rechtlich unmöglich und eine entgegenstehende Vereinbarung als rechtsunwirksam qualifiziert; aufgrund solcher Vereinbarungen durchgeführte Grundbuchseintragungen seien nichtig. Bis zu einer „Rückabwicklung“ sind die „Wohnungseigentümer“ nach dieser Rsp mangels eines dem Gesetz entsprechenden Mindestanteils entgegen dem Grundbuchsstand rechtlich nicht Wohnungseigentümer, sondern nur schlichte Miteigentümer.

 

Auch die Wohnungseigentumsbegründung an der hier gegenständlichen Tiefgarage ist rechtlich unmöglich, sodass keine wirksame Wohnungseigentumsbegründung vorliegt. Entgegen dem Grundbuchsstand ist daher nicht Wohnungseigentum, sondern schlichtes Miteigentum gegeben. Als schlichte Miteigentümerin kann sich die Antragstellerin aber nicht auf die Bestimmungen des WEG berufen, sodass ihr ein Recht zur Beschlussanfechtung gem § 24 Abs 6 iVm § 52 Abs 1 Z 4 WEG nicht zukommt. Das führt zur Abweisung des darauf gestützten Begehrens der Antragstellerin.