OGH: § 94 ABGB – Zuerkennung eines Prozesskostenvorschusses iZm Scheidung
Die Ehefrau ist in der vom Ehemann herbeigeführten Situation mit einem Scheidungsprozess und einer massiven Kürzung der ihr überlassenen Mittel konfrontiert; es wäre daher in Anbetracht der außergewöhnlichen finanziellen Ausstattung des Ehemanns und deren Ausnutzung durch außerordentlich aufwändige Prozessführung grob unbillig, müsste sie jenen Aufwand, der entsteht, um dem Gegner auf möglichst gleicher juristischer Ebene (in den aus der Sicht der Ehefrau fremdsprachigen Prozessen, deren materielle Rechtsgrundlagen noch gar nicht abschließend geklärt sind) entgegentreten zu können, aus dem ohnehin schon massiv gekürzten Unterhalt finanzieren; dies unabhängig davon, ob das rechnerisch überhaupt möglich wäre; die ohnehin in diesem Sinn zu verstehende Rechtsansicht der Vorinstanzen, die Ehefrau könne die vom Erstgericht als notwendig angesehenen Kosten von insgesamt 456.582 EUR nicht aus dem laufenden Geldunterhalt bezahlen, erweist sich daher im vorliegenden – durch ganz außergewöhnliche Verhältnisse gekennzeichneten – Einzelfall als vertretbar
§ 94 ABGB
GZ 3 Ob 152/16y, 22.09.2016
OGH: Notwendige Prozess- und Anwaltskosten sind grundsätzlich aus dem Anspruch nach § 94 ABGB zu decken und nicht als gesonderter Vorschuss zuzusprechen. Die Zuerkennung eines Prozesskostenvorschusses setzt eine Abwägung der beiderseitigen Interessen voraus: Einerseits ist darauf zu achten, ob und inwieweit der den Vorschuss begehrende Ehegatte unter Bedachtnahme auf seine sonstigen Bedürfnisse die Verfahrenskosten aus eigenen Einkünften einschließlich des monatlichen Unterhalts decken kann; andererseits ist zu berücksichtigen, ob und inwieweit dem Unterhaltspflichtigen diese zusätzliche Leistung unter Bedachtnahme auf seine sonstigen Zahlungen und Verpflichtungen zugemutet werden kann. Die Notwendigkeit der einzelnen Maßnahmen ist im Einzelfall zu prüfen und va darauf Bedacht zu nehmen, ob auch der Gegner anwaltlich vertreten ist; maßgeblich ist, ob auch andere vernünftige und sorgfältige Personen in der Lage der gefährdeten Partei ein ähnliches kostenverursachendes Verhalten gesetzt hätten, dieses also als vernünftige und zweckentsprechende Rechtsverfolgungsmaßnahme anzusehen ist. Unbilligkeiten sind zu vermeiden. Ziel des Unterhalts ist ua die Möglichkeit, Streitfragen unter angemessenen Rahmenbedingungen klären zu können, also auch eine Waffengleichheit zwischen den prozessierenden Ehegatten herzustellen.
Bei der vorzunehmenden Interessenabwägung kann die einvernehmliche Gestaltung der ehelichen Lebensverhältnisse während aufrechter Ehe nicht unberücksichtigt bleiben (§ 94 Abs 2 Satz 2 ABGB), wovon auch das Rekursgericht durch den Hinweis auf den exklusiven Lebensstil der Ehegatten und die „sonstigen Lebensverhältnisse der Streitteile“ zutreffend ausgegangen ist. Dazu ist den Feststellungen zu entnehmen, dass sich die privaten Ausgaben des Ehepaars im Jahr 2010 in Höhe von ca 10,3 Mio USD (= etwa 7,74 Mio EUR) bewegten und für das Jahr 2011 mit ca 8,6 Mio USD (= etwa 6,18 Mio EUR) veranschlagt wurden; der Ehefrau standen ausschließlich zur Deckung ihrer persönlichen Bedürfnisse monatlich etwa 98.000 EUR zur Verfügung. Nunmehr steht der Ehefrau dafür (neben den vom Ehemann weiterhin bezahlten Kosten ua für die [und iZm der] luxuriöse[n] Ehewohnung in England) „nur mehr“ der vom Ehemann geleistete Geldunterhalt von ca 24.600 EUR monatlich zur Verfügung, was ungeachtet der absoluten Höhe des Betrags eine massive Reduktion gegenüber den Verhältnissen bei aufrechter Lebensgemeinschaft bedeutet. Eigene Einkünfte der Ehefrau aus Liegenschaftseigentum sind nicht bescheinigt.
Die Ehefrau ist in der vom Ehemann herbeigeführten Situation mit einem Scheidungsprozess und einer massiven Kürzung der ihr überlassenen Mittel konfrontiert. Es wäre daher in Anbetracht der außergewöhnlichen finanziellen Ausstattung des Ehemanns und deren Ausnutzung durch außerordentlich aufwändige Prozessführung grob unbillig, müsste sie jenen Aufwand, der entsteht, um dem Gegner auf möglichst gleicher juristischer Ebene (in den aus der Sicht der Ehefrau fremdsprachigen Prozessen, deren materielle Rechtsgrundlagen noch gar nicht abschließend geklärt sind) entgegentreten zu können, aus dem ohnehin schon massiv gekürzten Unterhalt finanzieren; dies unabhängig davon, ob das rechnerisch überhaupt möglich wäre. Die ohnehin in diesem Sinn zu verstehende Rechtsansicht der Vorinstanzen, die Ehefrau könne die vom Erstgericht als notwendig angesehenen Kosten von insgesamt 456.582 EUR nicht aus dem laufenden Geldunterhalt bezahlen, erweist sich daher im vorliegenden – durch ganz außergewöhnliche Verhältnisse gekennzeichneten – Einzelfall als vertretbar.
Festgestellt ist, dass der Ehemann beim Honorar seiner mindestens zwei österreichischen Anwälte Stundensätze vereinbarte, also zweifellos eine Entlohnung über jener nach RATG gewährt.
Schon deshalb wäre es hier unbillig, den auf Anwaltskosten entfallenden Bedarf der Ehefrau auf eine Berechnung nach RATG zu beschränken: Wäre es doch – wie die Vorinstanzen unbeanstandet ausführten – der Ehefrau sonst unmöglich, die Verfahren in ähnlich sorgfältiger Weise vorzubereiten, wie es für den Ehemann selbstverständlich ist. Auch die Bemessung der Kosten des österreichischen Anwalts nach den der Höhe nach unbeanstandet gebliebenen Stundensätzen erweist sich daher als nicht korrekturbedürftig.
Dass es sich bei der Pauschalgebühr nach GGG um „Prozesskosten“ handelt, die grundsätzlich bei der Bemessung des Prozesskostenvorschusses zu berücksichtigen sind, bedarf keiner näheren Begründung. Der vom Ehemann erblickten Gefahr, die Unterhaltsberechtigte könnte die Höhe der Pauschalgebühr durch ein überhöhtes Begehren willkürlich zu Lasten des Unterhaltspflichtigen gestalten, steht die Beschränkung des Vorschusses auf die notwendigen Kosten entgegen, wodurch eine Wahrnehmung offensichtlicher Überklagungen bei der Bemessung des Vorschusses gewährleistet ist.
Hier ist eine „hoffnungslose Überklagung“ im Unterhaltsverfahren nach den Feststellungen im Provisorialverfahren jedoch nicht bescheinigt; vielmehr ergibt sich aus dem maßgebenden Sachverhalt, dass die (allerdings noch nicht näher erforschte) Einkommens- und Vermögenssituation des Ehemanns einen außergewöhnlich hohen Zuspruch an Unterhalt während aufrechter Ehe rechtfertigen könnte.
Daher ist auch die Pauschalgebühr für die Unterhaltsklage vertretbar berücksichtigt worden.