17.10.2016 Zivilrecht

OGH: Rückziehung des Verfahrenshilfeantrags durch den Sachwalter ohne pflegschaftsgerichtliche Genehmigung

Die Rücknahme des Verfahrenshilfeantrags ist nicht genehmigungsbedürftig, es wird schließlich mit dieser Prozesshandlung nicht über den Verfahrensgegenstand disponiert


Schlagworte: Familienrecht, gesetzliche Vertretung des Kindes, Rücknahme des Verfahrenshilfeantrags durch den Sachwalter ohne pflegschaftsgerichtliche Genehmigung, ordentlicher Wirtschaftsbetrieb
Gesetze:

 

§ 167 ABGB, §§ 63 ff ZPO

 

GZ 4 Ob 158/16p, 30.08.2016

 

OGH: Dass die Rücknahme des Antrags auf Verfahrenshilfe ex tunc wirkt, sodass die durch den Verfahrenshilfeantrag ursprünglich bewirkte Unterbrechung der Rechtsmittelfrist hinfällig ist, entspricht stRsp.

 

Daran ändert auch – entgegen der Rekursargumentation – der Umstand nichts, dass die Rückziehung des Verfahrenshilfeantrags durch den Sachwalter ohne pflegschaftsgerichtliche Genehmigung erfolgt sein soll. Aus § 167 Abs 3 ABGB ergibt sich, dass Vertretungshandlungen und Einwilligungen eines gesetzlichen Vertreters in Vermögensangelegenheiten zu ihrer Rechtswirksamkeit dann der Genehmigung des Gerichts bedürfen, wenn die Vermögensangelegenheit nicht zum ordentlichen Wirtschaftsbetrieb gehört. Ob ein Geschäft zum ordentlichen Wirtschaftsbetrieb gehört oder nicht, hängt stets von den Umständen des Einzelfalls ab; maßgeblich sind dabei (ua) Üblichkeit und wirtschaftliches Risiko. Die Einlassung als Beklagte in einen Rechtsstreit und die Erteilung sowie der Widerruf einer Vollmacht zählen zum ordentlichen Wirtschaftsbetrieb und bedürfen keiner Genehmigung. Zu 4 Ob 53/07h hat sich der erkennende Senat ausführlich mit der Frage allfälliger pflegschaftsbehördlicher Genehmigung in Passivprozessen auseinandergesetzt und festgehalten, dass eine Genehmigung nur dann erforderlich ist, wenn eine Verfügung über den Verfahrensgegenstand an sich erfolgt. Darunter sind positive Verfügungen des gesetzlichen Vertreters über den prozessgegenständlichen Anspruch zu verstehen, etwa Verzicht, Anerkenntnis oder Vergleich. Eine Außerstreitstellung oder das Unterlassen einer Prozesshandlung (insbesondere etwa die Unterlassung der Rechtsmittelerhebung) sind keine solchen Dispositionshandlungen.

 

Die Rücknahme des Verfahrenshilfeantrags ist daher nicht genehmigungsbedürftig, es wird schließlich mit dieser Prozesshandlung nicht über den Verfahrensgegenstand disponiert. Die Gefahr einer Belastung der Beklagten mit Kosten ihres Sachwalters droht insoweit nicht, als für den Fall, dass die Voraussetzungen für die Gewährung der Verfahrenshilfe doch vorgelegen hätten, der Sachwalter keinen Kostenanspruch hat. Damit bliebe der Beklagten als vermögensrechtliche Disposition nur die Aufwendung der Pauschalgebühr iHv 137 EUR, welche jedenfalls dem ordentlichen Wirtschaftsbetrieb zuzuordnen wäre.