OGH: Zur Frage der Zulässigkeit einer Feststellungsklage zwecks Auslegung einer (ausländischen) Gerichtsstandsvereinbarung
Das rechtliche Interessen an der Feststellung über die Wirkungen einer bestimmten Gerichtsstandsvereinbarung besteht nicht (mehr), wenn bereits ein Gerichtsverfahren anhängig gemacht worden ist, in dem diese Frage zeitnäher und prozessökonomischer entschieden werden kann; eine vom Standpunkt des Klägers abweichende Rechtsansicht eines ausländischen Gerichts begründet noch kein rechtliches Interesse an der gegenteiligen Feststellung dafür präjudizieller Vorfragen; insoweit wird nämlich versucht, einen prozessualen Vorteil zu erreichen
§ 228 ZPO
GZ 4 Ob 121/16x, 30.08.2016
OGH: Wesentliches Tatbestandsmerkmal des Feststellungsanspruchs ist zunächst das Vorliegen eines feststellungsfähigen Rechts oder Rechtsverhältnisses. Das Fehlen dieses Tatbestandselements führt zur Abweisung der Feststellungsklage.
Im vorliegenden Fall kann die Frage, ob ein feststellungsfähiges Recht oder Rechtsverhältnis iZm der (vom kalifornischen Gericht als ausschließlich erachteten) Gerichtsstandsvereinbarung besteht, dahingestellt bleiben, weil die Vorinstanzen jedenfalls vertretbar das Fehlen eines rechtlichen Interesses annahmen.
Das Vorliegen des Feststellungsinteresses ist Voraussetzung für die Begründetheit des Feststellungsanspruchs und vom Kläger nachzuweisen. Dabei kommt es wesentlich auf die Umstände des Einzelfalls an, sodass idR keine Rechtsfrage erheblicher Bedeutung vorliegt.
Ein rechtliches Interesse an der alsbaldingen Feststellung kann dort als vorhanden angenommen werden, wo das Feststellungsurteil für den Kläger von rechtlich praktischer Bedeutung ist und er auf einem anderen Wege als durch die Feststellungsklage rechtlich außerstande wäre, einem ihm zustehenden Anspruch zum Durchbruch zu verhelfen oder einem ihm drohenden Nachteil zu begegnen. Es kann regelmäßig nur bejaht werden, wenn eine Verschlechterung der rechtlichen Position des Klägers bei einer Verweisung auf ein erst später mögliches gerichtliches Vorgehen zu befürchten wäre. Das rechtliche Interesse fehlt, wenn die Rechtskraftwirkung des Feststellungsurteils die Beseitigung der Unsicherheit über das Rechtsverhältnis nicht garantieren kann und damit die Rechtsverhältnisse des Klägers durch das Verhalten des Beklagten nicht unmittelbar berührt werden.
Ein rechtliches Interesse liegt auch dann vor, wenn das begehrte Urteil zwischen den Streitparteien über einen allfälligen Leistungsanspruch hinaus geeignet ist, Grundlage für die weiteren Rechtsbeziehungen der Parteien untereinander zu sein, also der Feststellungsanspruch durch den möglichen Leistungsanspruch nicht voll ausgeschöpft wird und der Kläger dadurch in seiner Bewegungsfreiheit im Rechtsleben oder in der Vornahme wirtschaftlicher Maßnahmen behindert wird. Dabei steht der prozessökonomische Zweck im Vordergrund. Prozessuale Vorteile allein genügen für die Bejahung des rechtlichen Interesses ebensowenig wie die Feststellung von bloßen „Rechtslagen“.
Die Vorinstanzen sind diesen Grundsätzen der Rsp im Einzelfall vertretbar gefolgt, wenn sie im Ergebnis die Auffassung vertreten haben, dass rechtliche Interessen an der Feststellung über die Wirkungen einer bestimmten Gerichtsstandsvereinbarung bestehe nicht (mehr), wenn bereits ein Gerichtsverfahren anhängig gemacht worden ist, in dem diese Frage zeitnäher und prozessökonomischer zu entscheiden sei. Der Kläger ist ja in einem solchen Zwischenverfahren vor dem erkennenden Gericht keineswegs rechtlich außerstande, seinem Anspruch zum Durchbruch zu verhelfen, sondern kann die Richtigkeit seiner Auslegung der Zuständigkeitsvereinbarung vor dem angerufenen Gericht vertreten.
Die von der Klägerin herangezogene Rsp zu Schiedsverträgen (zum früheren Schiedsrecht), wonach auch bei schon anhängigem Verfahren vor dem Schiedsgericht die Klage auf Feststellung des Nichtbestands des Schiedsvertrags beim ordentlichen Gericht zulässig ist, ist hier nicht anzuwenden, weil die gegenständliche Feststellungsklage keine bindende Entscheidung für das kalifornische Gericht zu schaffen vermag.