OGH: Zur Frage, inwieweit der Geschäftsführer einer GmbH für Besorgungsgehilfen haftet
Eine persönliche Haftung des Geschäftsführers wegen Verletzung absoluter Rechte Dritter durch die GmbH kommt – abgesehen von den gesetzlich eigens geregelten Fällen – dann in Frage, wenn er auch persönlich rechtswidrig und schuldhaft gehandelt hat
§ 1315 ABGB, §§ 1295 ff ABGB, § 25 GmbHG, § 1313a ABGB
GZ 8 Ob 62/16z, 30.08.2016
Die Klägerin lieferte einer Gastro-GmbH eine Restauranteinrichtung unter Eigentumsvorbehalt. Weil der Kaufpreis nicht zur Gänze bezahlt wurde, klagte sie rund ein Jahr später die GmbH erfolgreich auf Herausgabe des Mobiliars. Die Beklagte wurde erst nach dem Kaufvertrag zur Geschäftsführerin der Gastro-GmbH bestellt. Sie stellte den Herausgabeanspruch der Klägerin nie in Frage. Aus Zeitnot vereinbarte der Geschäftsführer der Klägerin telefonisch mit dem Vater der Beklagten (dem in der GmbH keine offizielle Funktion zukam), dass dieser das Mobiliar mit eigenen Helfern abbauen und zugunsten der Klägerin vorläufig einlagern lassen solle. Diese Demontage wurde so unprofessionell durchgeführt, dass die meisten Mobiliarteile beschädigt wurden.
Die Klägerin begehrt den Ersatz des entstandenen Schadens von der Beklagten, weil sie als Geschäftsführerin nicht für die sorgfältige Behandlung des Mobiliars gesorgt habe.
OGH: Nach § 25 GmbHG haften Geschäftsführer nur für eigenes, schuldhaftes Verhalten und grundsätzlich nur der Gesellschaft, nicht aber einzelnen Gesellschaftern oder Gläubigern.
Kapitalgesellschaften sind aus sich selbst heraus nicht handlungsfähig, sondern nur über ihre Organe, deren Handeln und Unterlassen im Rahmen ihres organschaftlichen Tätigkeitsbereichs der Gesellschaft zugerechnet wird. Die gesetzliche Ausgangslage spricht daher im Allgemeinen dagegen, Geschäftsführer Dritten gegenüber haftbar zu machen, wenn sie nur im Rahmen ihres gesellschaftsrechtlichen Verantwortungsbereichs agiert haben, vielmehr ist für eine Dritthaftung die Verletzung einer eigenen, nicht nur der Gesellschaft obliegenden Pflicht zu fordern.
Ausnahmen von diesem Grundsatz bestehen im Fall einer ausdrücklichen gesetzlichen Anordnung (zB § 56 Abs 3 GmbHG; § 64 Abs 1 GmbHG; § 9 BAO; § 67 Abs 10 ASVG), bei vorsätzlicher sittenwidriger Gläubigerschädigung, bei gerichtlich strafbaren Handlungen (§ 1295 Abs 2 ABGB; §§ 153c, 153d StGB) oder schuldhafter Verletzung eines Schutzgesetzes. Eine unmittelbare Haftung ist auch zu bejahen, wenn sich der Geschäftsführer neben der Gesellschaft selbst rechtsgeschäftlich verpflichtet hat, aber auch wenn er ein besonderes persönliches Vertrauen des Gläubigers in Anspruch genommen hat und die Vertragsverhandlungen dadurch beeinflusst wurden, oder allgemein bei Handeln des Geschäftsführers im wirtschaftlichen Eigeninteresse.
Zur Abgrenzung, ob der Geschäftsführer – ausnahmsweise – als „Dritter“ aufgefasst werden kann, der auf den Willen der GmbH einwirkt, oder ob er – so der Regelfall – als Organ der GmbH nur deren Willen bildet und kein ihm selbst im Außenverhältnis zurechenbares Verhalten setzt, ist wesentlich, ob er Eigeninteressen oder Interessen außenstehender Dritter verfolgt, und ob ihm rechtswidrige Handlungen, die er als Organ in Vertretung der GmbH vorgenommen hat, zugleich auch als eigenes deliktisches Verhalten gegenüber dem Vertragspartner oder Gläubiger der GmbH zugerechnet werden können.
Alle vorstehend genannten Haftungsgründe kommen im vorliegenden Fall nicht zum Tragen.
Weder kann sich die Klägerin auf eine besondere gesetzliche Anordnung der Dritthaftung stützen, noch hat sie auch nur behauptet, dass die Beklagte ein Schutzgesetz verletzt bzw Handlungen oder Unterlassungen in Schädigungsabsicht begangen habe, oder dass sie ein besonderes persönliches Vertrauen in Anspruch genommen habe.
Die Verpflichtung zur Herausgabe der unter Eigentumsvorbehalt stehenden Gegenstände traf nicht die Beklagte persönlich, sondern die Gastro GmbH, mit der allein die Klägerin in Vertragsbeziehung stand und der sie ihre Ware anvertraut hatte.
Der „Herrschafts- und Organisationsbereich“ der verpflichteten Gesellschaft, dem der Vater der Beklagten nach Ansicht des Berufungsgerichts – die von der Revisionswerberin auch nicht bekämpft wird – kraft Anscheins zuzurechnen war, ist nicht dem „Herrschafts- und Organisationsbereich“ der Beklagten gleichzusetzen.
Das Berufungsgericht hat daraus auch richtig abgeleitet, dass die mit der Demontage beschäftigten Arbeiter nicht persönliche Gehilfen der Beklagten iSd § 1313a ABGB waren, weil sie an der Erfüllung einer der Gastro GmbH obliegenden Leistung mitgewirkt haben.
Nach § 1315 ABGB haftet derjenige, welcher sich einer untüchtigen oder wissentlich einer gefährlichen Person zur Besorgung seiner Angelegenheiten bedient, für den Schaden, den sie in dieser Eigenschaft einem Dritten zufügt.
Der Gehilfe ist auch iSd § 1315 ABGB nur dann ein solcher, wenn er mit Willen des Schuldners im Rahmen der dem Schuldner obliegenden Verbindlichkeit tätig wird.
Das Berufungsgericht hat in seinen Rechtsausführungen festgehalten, dass die Beklagte „als Geschäftsführerin“ der GmbH ihren Vater mit Demontage und Einlagerung beauftragt habe. Abgesehen davon, dass ein solcher Auftrag nach den erstgerichtlichen Feststellungen gar nicht stattgefunden hat (sondern der Vater eigenmächtig mit dem Geschäftsführer der Klägerin verhandelt hat), ist der Entscheidung des Berufungsgerichts nicht zu entnehmen, weshalb es in Widerspruch zu seiner eigenen Annahme einer Vertretungshandlung – und in Widerspruch zu seinen Ausführungen iZm § 1313a ABGB – davon ausgegangen ist, dass der Vater und dessen Helfer nicht Angelegenheiten der GmbH, sondern eigene Angelegenheiten der Beklagten besorgt hätten. Diese Beurteilung ist in den Feststellungen nicht gedeckt. Mangels einer Gehilfenstellung des Vaters und seiner Leute im Verhältnis zur Beklagten besteht auch keine Rechtsgrundlage für deren Haftung nach § 1315 ABGB.
Das Berufungsgericht hat eine unmittelbare Haftung der Beklagten als Geschäftsführerin auch deswegen bejaht, weil die Schädigung der Klägerin durch einen Eingriff in ihr Eigentumsrecht verwirklicht worden sei.
Es hat sich dabei auf die hLuRsp bezogen, wonach Geschäftsleiter, die im Rahmen ihrer Organfunktionen tätig werden, neben der Gesellschaft auch persönlich haften, wenn sie dabei absolute Rechte eines anderen, zB dessen körperliche Integrität oder dessen Eigentum, verletzen. Dieser Auffassung, die in der Lehre kontrovers diskutiert wird, liegt der Modellfall zugrunde, dass mit einer Handlung bzw Unterlassung des Organs nicht bloß eine die Gesellschaft treffende Verpflichtung, sondern eine jedermann angehende Pflicht (Achtung fremden Eigentums, Achtung der körperlichen Integrität) missachtet wurde. Der in seinen Rechten Verletzte soll dann nicht nur auf die Gesellschaft, sondern auf das schädigende Organ unmittelbar zugreifen können, wenn dieses ihm gegenüber auch eine individuelle Verfehlung begangen hat.
Grundlage für die Außenhaftung ist in diesen Fällen aber immer ein eigenes, rechtswidriges Handeln des Geschäftsführers.
Diese Voraussetzung ist hier nicht erfüllt. Nach dem für den OGH bindend festgestellten Sachverhalt war die Beklagte in die Vereinbarung zwischen ihrem Vater und der Klägerin über die Selbstdemontage und Einlagerung der Einrichtungsgegenstände überhaupt nicht eingebunden. Weder hat der Geschäftsführer der Klägerin mit ihr gesprochen, noch steht fest, dass sie ihrem Vater einen Auftrag erteilt hat.
Auch für eine Schädigung durch rechtswidrige Unterlassung – die voraussetzen würde, dass die Beklagte die ohne ihre Mitwirkung getroffene Vereinbarung sowie die mangelnde fachliche Eignung ihres Vaters und seiner Helfer vorweg gekannt und sie eine Warn- bzw Verhinderungspflicht getroffen hätte – besteht kein Anhaltspunkt. Andere haftungsbegründende Umstände wurden von der klagenden Partei nicht vorgebracht.