OGH: § 16 WEG 2002 – zur Nutzungsänderung auf eine „Flüchtlingsunterkunft“
Die Frage der Verkehrsüblichkeit einer Nutzungsänderung iSe Vorher-Nachher-Vergleichs spielt bei einer unspezifischen Geschäftsraumwidmung eine nur untergeordnete Rolle, bei der Beurteilung der Reichweite besonders spezifischer Widmungen eine wichtigere, nie aber eine allein entscheidende Rolle
§ 16 WEG 2002, § 914 ABGB
GZ 5 Ob 105/16a, 25.08.2016
OGH: Gem § 16 Abs 2 WEG ist ein Wohnungseigentümer zu Änderungen (einschließlich Widmungsänderungen) an seinem Wohnungseigentumsobjekt auf seine Kosten berechtigt. Bei der Frage der Zulässigkeit einer Widmungsänderung ist zunächst auf die dem Wohnungseigentumsvertrag zugrunde liegende Widmung abzustellen. Die Änderung eines im Geschäftslokal betriebenen Unternehmensgegenstands und seiner Betriebsform kann eine Widmungsänderung sein. Zur Prüfung, ob eine Widmungsänderung vorliegt, ist die Widmung des betreffenden Objekts der tatsächlichen Verwendung gegenüberzustellen. Das erfordert einen Rückgriff auf die vertragliche Einigung der Mit- und Wohnungseigentümer idR im Wohnungseigentumsvertrag. Ansatzpunkt muss also zunächst sein, welche Widmung auf der Grundlage der darüber bestandenen vertraglichen Einigung der Mit- und Wohnungseigentümer für das betreffende Objekt besteht.
Bei der Ermittlung der konkreten privatrechtlichen Einigung der Mit- und Wohnungseigentümer über die Widmung eines bestimmten Objekts ist idR eine weitgehend objektive Betrachtung angezeigt. Das ändert aber nichts daran, dass deren Inhalt durch Auslegung nach den Bestimmungen der §§ 914 f ABGB zu ermitteln ist. Besteht keine spezifische Geschäftsraumwidmung, war also kein bestimmter Geschäftsbetrieb im Wohnungseigentumsobjekt Grundlage des Wohnungseigentumsvertrags, dann haben sich die Mit- und Wohnungseigentümer schon bei der Begründung des Wohnungseigentums grundsätzlich mit jeder verkehrsüblichen Art der Verwendung des Geschäftslokals einverstanden erklärt. Die Frage der Verkehrsüblichkeit einer Nutzungsänderung iS eines Vorher-Nachher-Vergleichs spielt bei einer unspezifischen Geschäftsraumwidmung daher nur eine untergeordnete Rolle, bei der Beurteilung der Reichweite besonders spezifischer Widmungen eine wichtigere, nie aber eine allein entscheidende Rolle.
Im hier zugrunde liegenden Wohnungseigentumsvertrag ist das Wohnungseigentumsobjekt unspezifisch als „Geschäft“ gewidmet. Aus der Nutzwertfeststellung ergibt sich eine gemischte Widmung des gesamten Gebäudes zur Nutzung als Hotel- bzw Gasthausbetrieb, als Wohnraum und als Beherbergungsbetrieb. Geht man von der vertraglichen Widmung des Objekts als „Geschäft” aus, so hält sich die Verwendung zur regelmäßig unternehmerisch praktizierten Unterbringung von Flüchtlingen im Rahmen der unspezifischen Geschäftsraumwidmung.