04.10.2016 Verfahrensrecht

VwGH: Zur Frage des Verschuldens des BFA an der Säumnis der Erledigung im Falle eines Massenzustroms von Asylwerbern

Die extrem hohe Zahl an Asylverfahren stellt für das BFA - ungeachtet der vom Bund getroffenen bzw weiterhin zu treffenden personellen Maßnahmen zur Verfahrensbewältigung - unzweifelhaft eine extreme Belastungssituation dar, die sich in ihrer Exzeptionalität von sonst allenfalls bei (anderen) Behörden auftretenden, herkömmlichen Überlastungszuständen ihrem Wesen nach, und sohin grundlegend, unterscheidet; die Verpflichtung der Behörde, dafür Sorge zu tragen, dass durch organisatorische Vorkehrungen eine rasche Entscheidung möglich ist, muss in einer solchen Ausnahmesituation zwangsläufig an Grenzen stoßen; diese Ausnahmesituation unterscheidet sich sohin deutlich von den bisher vom VwGH in seiner Rsp vorgefundenen Ausgangslagen; eine Säumnis des BFA, die alleine auf eine derartige Belastungssituation zurückzuführen ist, kann eine Abweisung der Säumnisbeschwerde mangels überwiegenden Verschuldens der Behörde an der Säumnis nach § 8 Abs 1 letzter Satz VwGVG begründen


Schlagworte: Säumnisbeschwerde, Massenzustrom von Asylwerbern, überwiegendes Verschulden der Behörde
Gesetze:

 

Art 130 B-VG, § 8 VwGVG, § 73 AVG, Art 133 B-VG, § 3 AsylG 2005

 

GZ Ro 2016/18/0004, 29.07.2016

 

VwGH: Der VwGH hat mit Erkenntnis vom 24. Mai 2016, Ro 2016/01/0001 bis 0004, erkannt, dass die durch den massiven Zustrom von Schutzsuchenden in der jüngeren Vergangenheit bewirkte Ausnahmesituation, die auch für das BFA eine extreme Belastung darstellt, sich in ihrer Exzeptionalität von sonst allenfalls bei (anderen) Behörden auftretenden, herkömmlichen Überlastungszuständen ihrem Wesen nach, und sohin grundlegend, unterscheidet. Die Verpflichtung der Behörde, dafür Sorge zu tragen, dass durch organisatorische Vorkehrungen eine rasche Entscheidung möglich ist, müsse in einer solchen Ausnahmesituation zwangsläufig an Grenzen stoßen. Die Ausnahmesituation unterscheide sich sohin deutlich von den bisher vom VwGH in seiner Rsp vorgefundenen Ausgangslagen. Eine Säumnis des BFA, die alleine auf eine derartige Belastungssituation zurückzuführen sei, könne eine Abweisung der Säumnisbeschwerde mangels überwiegenden Verschuldens der Behörde an der Säumnis nach § 8 Abs 1 letzter Satz VwGVG begründen.

 

Es liegt somit bereits Rsp des VwGH in Bezug auf die auch im vorliegenden Verfahren strittige Rechtsfrage vor, anhand derer im Einzelfall zu beurteilen ist, ob die Verzögerung in der Erledigung des Antrags auf internationalen Schutz iSd § 8 Abs 1 letzter Satz VwGVG nicht auf ein überwiegendes Verschulden der Behörde zurückzuführen ist. Eine solche einzelfallbezogene Beurteilung ist im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rsp entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde, nicht revisibel.

 

Im gegenständlichen Fall ging das BVwG - mit näherer Begründung - davon aus, dass die außergewöhnliche Belastung des BFA, die allein zu der Verzögerung in der Erledigung des Antrags des Revisionswerbers geführt hat und ein überwiegendes Verschulden der Behörde ausschließt, bereits ab September 2014 vorgelegen ist. Dass diese Beurteilung nach dem bisher Gesagten unzutreffend wäre und eine Revision zulässig machen würde, vermag die Revision nicht darzulegen.