OGH: Zum Rechtsmittelverzicht eines (Verlassenschafts-) Kurators
Der vom Verlassenschaftskurator namens des beklagten Nachlasses abgegebene Rechtsmittelverzicht bedarf der verlassenschaftsgerichtlichen Genehmigung
§ 810 ABGB, § 167 ABGB
GZ 1 Ob 148/16w, 30.08.2016
OGH: Auf Vertretungshandlungen des Kurators ist nicht die - auf die Vertretung durch die Erben (Gesamtrechtsnachfolger) zugeschnittene - Regelung des § 810 Abs 2 ABGB, sondern vielmehr § 167 Abs 3 ABGB anzuwenden, der die Fremdvertretung nicht ausreichend Geschäftsfähiger regelt.
Nach § 167 Abs 3 ABGB bedürfen Vertretungshandlungen eines Kurators in Vermögensangelegenheiten der Genehmigung des Gerichts, sofern die Angelegenheit nicht zum ordentlichen Wirtschaftsbetrieb gehört. Unter dieser Voraussetzung gehören dazu insbesondere die „Erhebung einer Klage und alle verfahrensrechtlichen Verfügungen, die den Verfahrensgegenstand an sich betreffen“. Daraus ergibt sich, dass die Prozessführung in Verfahren, die nicht vom Pflegebefohlenen eingeleitet wurden, keine Genehmigung des Gerichts erfordern; in Passivprozessen muss das Gericht nur solchen Verfahrenshandlungen zustimmen, die über den Verfahrensgegenstand an sich verfügen.
Zur Einlassung in den Streit als Vertreter des Beklagten bedarf daher ein Kurator keiner gerichtlichen Genehmigung, solange keine Anspruchsverfügungen getroffen werden. Ein Genehmigungserfordernis ist nur bei Dispositivhandlungen des (gesetzlichen) Vertreters über den Verfahrensgegenstand anzunehmen. Darunter sind positive Verfügungen des Vertreters über den prozessgegenständlichen Anspruch zu verstehen, etwa Verzicht, Anerkenntnis oder Vergleich. Keine solche Dispositionshandlung ist eine Außerstreitstellung oder das Unterlassen einer Prozesshandlung, insbesondere eines Rechtsmittels.
Für einen Rechtsmittelverzicht ist aber eine pflegschaftsgerichtliche Genehmigung erforderlich, da der Verzicht auf die Einlegung eines Rechtsmittels die Bedeutung des Verzichts auf ein vor rechtskräftiger Entscheidung noch in Schwebe befindliches Recht hat. Eine Rechtsmittelverzichtserklärung ist eine Dispositionshandlung über den in Streit verfangenen Anspruch, nämlich eine sonstige Sachverfügung, und bedarf daher der vormundschafts- oder pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung. Demgegenüber ist etwa die Unterlassung eines Rechtsmittels nicht genehmigungsbedürftig, weil darin keine derartige Verfügung über den Anspruch liegt, sondern die Möglichkeit der Anfechtung der Entscheidung offen gehalten wird. Daraus folgt, dass der vom Verlassenschaftskurator namens des beklagten Nachlasses abgegebene Rechtsmittelverzicht der verlassenschaftsgerichtlichen Genehmigung bedarf, damit er rechtswirksam wird.