09.08.2016 Zivilrecht

OGH: Kindesunterhaltsbemessung iZm Lehre des Unterhaltsberechtigten

Nach stRsp ist bei einfachen Lebensverhältnissen das Eigeneinkommen des Kindes auf die Leistungen des geldunterhaltspflichtigen und des betreuenden Elternteils im Verhältnis zwischen dem Durchschnittsbedarf der Altersgruppe, der das Kind angehört, und dessen Differenz zum ASVG-Ausgleichszulagenrichtsatz anzurechnen; diese Berechnungsmethode bildet aber nur eine Orientierungshilfe, die nach den besonderen Umständen des Einzelfalls nach oben oder unten korrigiert werden kann


Schlagworte: Familienrecht, Kindesunterhalt, Bemessung, Lehre, Eigeneinkommen, Ausgleichszulagenrichtsatz
Gesetze:

 

§ 231 ABGB, § 293 ASVG

 

GZ 9 Ob 42/16s, 24.06.2016

 

Der Minderjährige bringt vor, die Ausgleichszulage sei im letzten Jahrzehnt stärker angehoben worden, als dies rechnerisch der Inflationsrate entsprochen habe. Dies habe sich zu Ungunsten des betreuenden Elternteils entwickelt, da sich die Regelbedarfssätze am VPI orientierten. Der vom geldunterhaltspflichtigen Elternteil abzudeckende Anteil sei zum Zeitpunkt der Entscheidung 1 Ob 560/92 noch bei ungefähr 50 % gelegen. Die Verschiebung dieses Verhältnisses dürfte nicht die Absicht des OGH gewesen sein. Es gebe keine inhaltliche Begründung dafür, dass die Unterhaltsleistung für 15- bis 17-Jährige mehr durch Betreuungsleistungen als durch Geldunterhalt zu erbringen sei.

 

OGH: Nach § 231 Abs 3 ABGB idF KindNamRÄG 2013 (davor: § 140 Abs 3 ABGB) mindert sich der Anspruch auf Unterhalt insoweit, als das Kind eigene Einkünfte hat oder unter Berücksichtigung seiner Lebensverhältnisse selbsterhaltungsfähig ist.

 

Selbsterhaltungsfähigkeit bedeutet die Fähigkeit zur eigenen angemessenen Bedarfsdeckung auch außerhalb des elterlichen Haushalts. Solange das Kind noch die elterliche Wohnungsgewährung oder Betreuung benötigt, ist es noch nicht selbsterhaltungsfähig. Wenn ein Kind nur so viel selbst verdient, dass es neben der Betreuung durch einen Elternteil nichts mehr benötigt, dann kommt es nicht zur vollen Befreiung des anderen Elternteils, muss doch hier ein Teil des Eigenverdienstes auch dem betreuenden Elternteil zugute kommen. Ob dieser Elternteil von seinem Kind tatsächlich einen finanziellen Beitrag für die Betreuung fordert, ist nicht entscheidend.

 

Ist das vom Minderjährigen erzielte Einkommen auf die von den Eltern gemeinsam geschuldeten Unterhaltsleistungen anzurechnen, stellt sich die Frage nach dem Verhältnis der Entlastung der beiden Elternteile, wofür zwischen einfachen und überdurchschnittlichen Lebensverhältnissen zu unterscheiden ist.

 

Bei Beurteilung einfacher Lebensverhältnisse kann nach der Rsp der Ausgleichszulagenrichtsatz nach § 293 Abs 1 lit a/bb und b ASVG als tauglicher Anhaltspunkt bzw Orientierungshilfe für die Annahme eines durchschnittlichen Bedarfs herangezogen werden.

 

Nach stRsp ist bei – hier unstrittig vorliegenden – einfachen Lebensverhältnissen das Eigeneinkommen des Kindes auf die Leistungen des geldunterhaltspflichtigen und des betreuenden Elternteils im Verhältnis zwischen dem Durchschnittsbedarf der Altersgruppe, der das Kind angehört, und dessen Differenz zum ASVG-Ausgleichszulagenrichtsatz anzurechnen.

 

Diese Berechnungsmethode bildet aber nur eine Orientierungshilfe, die nach den besonderen Umständen des Einzelfalls nach oben oder unten korrigiert werden kann. Es liegt schon im Wesen einer Orientierungshilfe, dass damit keine mathematisch exakte Unterhaltsberechnung vorgegeben werden soll. Der Entscheidung des verstärkten Senats 1 Ob 560/92 lag ein Fall zugrunde, in dem der Durchschnittsbedarf für Minderjährige in der Altersgruppe von 15 bis 19 Jahren nur ganz geringfügig mehr als die Hälfte des Richtsatzes gem § 293 Abs 1 lit a sublit bb und lit b ASVG betrug, weshalb die Anrechnung der Lehrlingsentschädigung des Minderjährigen auf die Unterhaltsleistungen der Eltern zu gleichen Teilen als gerechtfertigt erachtet wurde. Daraus geht aber zugleich hervor, dass die Anrechnung nicht stets und jedenfalls in genau diesem Verhältnis gegeben sein muss. Wenn das Rekursgericht auch hier die Bedingung der Anrechnung von „etwa“ der Hälfte des Eigeneinkommens auf den geldunterhaltspflichtigen Elternteil noch als gegeben erachtete, ist dies nach Lage des Falls nicht weiter zu beanstanden.

 

Es besteht damit im vorliegenden Fall kein Anlass, von der genannten stäRsp abzugehen, wonach das Eigeneinkommen des Minderjährigen auf die Leistungen des geldunterhaltspflichtigen und des betreuenden Elternteils im Verhältnis zwischen dem Durchschnittsbedarf der Altersgruppe, der der Minderjährige angehört, und dessen Differenz zum ASVG-Ausgleichszulagenrichtsatz anzurechnen ist.