OGH: Art 7.1. UVB 2005 – Anzeigeobliegenheit in der Unfallversicherung
Die Anzeigeobliegenheit nach Art 7.1. UVB 2005 greift schon dann, wenn der Unfall „voraussichtlich“ eine Leistungspflicht herbeiführt; dazu genügt die Kenntnis des Versicherungsnehmers von der nicht nur entfernten Möglichkeit, dass eine Leistungspflicht des Versicherers entstehen könnte; der Versicherungsnehmer muss bei verständiger Bewertung zum Schluss kommen können, dass er infolge eines Unfallereignisses eine Gesundheitsschädigung erlitten hat, die mehr als eine schnell und folgenlos verheilende Bagatellverletzung darstellt und eine mit dem Versicherer vereinbarte Leistung begründen kann
Art 7 UVB 2005, Art 1 UVB 2005
GZ 7 Ob 30/16m, 25.05.2016
OGH: Die Anzeigeobliegenheit in der Unfallversicherung wird dann existent, wenn der Versicherungsnehmer nach einem Unfallereignis Grund zur Annahme hat, dass jene Folgen auftreten können, die ihn vertragsgemäß zur Erhebung von Versicherungsansprüchen berechtigen. Die Anzeigeobliegenheit nach Art 7.1. UVB 2005 greift schon dann, wenn der Unfall „voraussichtlich“ eine Leistungspflicht herbeiführt. Dazu genügt die Kenntnis des Versicherungsnehmers von der nicht nur entfernten Möglichkeit, dass eine Leistungspflicht des Versicherers entstehen könnte. Der Versicherungsnehmer muss bei verständiger Bewertung zum Schluss kommen können, dass er infolge eines Unfallereignisses eine Gesundheitsschädigung erlitten hat, die mehr als eine schnell und folgenlos verheilende Bagatellverletzung darstellt und eine mit dem Versicherer vereinbarte Leistung begründen kann.
Der Kläger war am 13. 11. 2010 bei Holzarbeiten von der Holzbringungsmaschine abgerutscht, dabei mit seinem rechten Unterschenkel gegen einen Kranteil gestoßen, hatte infolge dessen eine Abschürfung erlitten und sofort Schmerzen im Bereich des rechten Unterschenkels oberhalb des Sprunggelenks verspürt. Das Vorliegen eines Unfallgeschehens iSd Art 1.3. UVB 2005 war demnach evident. In der Folge hatte der Kläger über ein Jahr lang wiederkehrende Beschwerden am betroffenen Bein, wobei verschiedene ärztliche Behandlungen keine abschließende Besserung brachten und eine völlige Beschwerdefreiheit über längere Zeiträume nicht gegeben war. Schon im Zuge der ambulanten Behandlung im Krankenhaus im ersten Quartal 2011 empfahlen die behandelnden Ärzte dem Kläger auch aufgrund seiner Beschwerden am rechten Unterschenkel einen Rehabilitationsaufenthalt und diese Empfehlung wurde fortlaufend wiederholt. Am 9. 12. 2011 (Rehabilitationsantrag) war objektiv erkennbar, dass aufgrund des Unfalls beträchtliche Dauerfolgen in Form von Beschwerden und Bewegungseinschränkungen verbleiben würden. Schließlich war dem Kläger aufgrund eines ärztlichen Gesprächs im September 2012 - also nach einem knapp 2 Jahre währenden Beschwerdeverlauf - auch subjektiv klar, dass aufgrund des Unfalls vom 13. 11. 2010 ein Dauerschaden verbleiben könne und im Oktober 2012 erhielt er schließlich von seinem Versicherungsvertreter den Hinweis, dass er aufgrund seines Unfalls allenfalls Anspruch auf eine Versicherungsleistung wegen bestehender Invalidität habe. Nicht einmal zu dieser Zeit kam der Kläger seiner Anzeigepflicht nach, sondern folgte einer sachlich nicht nachvollziehbaren „Rechtsberatung“. Es liegt klar eine Verletzung der Obliegenheit gem Art 7.1. UVB 2005 vor. Diese beruht auf grober Fahrlässigkeit, muss doch jedem durchschnittlichen Versicherungsnehmer bekannt sein, dass Versicherungsfälle unverzüglich zu melden sind. Die Möglichkeit einer Leistungspflicht der Beklagten lag bei verständiger Einschätzung des vorgelegenen Geschehnisablaufs geradezu auf der Hand. Den Kausalitätsgegenbeweis hat der Kläger nicht angetreten.