27.06.2016 Zivilrecht

OGH: Verjährung nach § 1489 ABGB und zur Frage, ob der Geschädigte ein Sachverständigengutachten einholen muss

Bei der Frage, ob der Geschädigte ein Sachverständigengutachten einholen muss, kommt es auf die Umstände des Einzelfalls an, wobei allerdings im Allgemeinen eine Verpflichtung zur Einholung eines Privatgutachtens verneint und nur in besonderen Ausnahmefällen bejaht wird; auch wenn in diesem Zusammenhang an einen Fachmann ein strengerer Maßstab anzulegen ist, hat doch bereits die Entscheidung 3 Ob 1603/92 klargestellt, dass selbst ein Fachunternehmen regelmäßig solange kein Gutachten einholen muss, als der – ebenfalls fachkundige – Vertragspartner meint, der Fehler sei nicht in seiner Sphäre gelegen


Schlagworte: Schadenersatzrecht, Verjährung, Gutachten einholen, Fachmann
Gesetze:

 

§ 1489 ABGB

 

GZ 6 Ob 50/16w, 30.05.2016

 

OGH: Auch wenn die Klägerin nach den Feststellungen der Vorinstanzen bereits im Frühjahr 2002 Kenntnis vom Schadensbild hatte, so ist es doch nach stRsp neben der Kenntnis über den Schadenseintritt und die Person des Schädigers für den Beginn der Verjährungsfrist erforderlich, dass die Kenntnis über den Ursachenzusammenhang zwischen dem Schaden und dem schadensstiftenden Verhalten einen solchen Grad erreichte, dass mit Aussicht auf Erfolg geklagt werden kann. Notwendig ist dabei „hinreichende Gewissheit“; bloße Mutmaßungen über die für den Kausalzusammenhang maßgeblichen Umstände genügen nicht. Da feststeht, dass die Klägerin erst nach Vorliegen des Gutachtens ausreichende Kenntnis über den Kausalzusammenhang hatte, ist das Leistungsbegehren vom 17. 7. 2006 unter diesem Gesichtspunkt nicht verjährt.

 

Die Beklagte macht geltend, die Klägerin habe ihre Erkundigungsverpflichtungen verletzt, hätte sie doch als Fachmann den Kausalzusammenhang schon früher in Erfahrung bringen können. Tatsächlich darf sich nach stRsp der Geschädigte nicht einfach passiv verhalten, sondern hat jene zumutbaren Schritte zu unternehmen, die es ihm ohne nennenswerte Mühe ermöglichen, den maßgeblichen Sachverhalt in Erfahrung zu bringen. Was konkret zumutbar ist, hängt dabei von den Umständen des Einzelfalls ab.

 

Allerdings darf diese Erkundigungspflicht nicht überspannt werden. Auch bei der Frage, ob der Geschädigte ein Sachverständigengutachten einholen muss, kommt es auf die Umstände des Einzelfalls an, wobei allerdings im Allgemeinen eine Verpflichtung zur Einholung eines Privatgutachtens verneint und nur in besonderen Ausnahmefällen bejaht wird. Auch wenn in diesem Zusammenhang an einen Fachmann ein strengerer Maßstab anzulegen ist, hat doch bereits die Entscheidung 3 Ob 1603/92 klargestellt, dass selbst ein Fachunternehmen regelmäßig solange kein Gutachten einholen muss, als der – ebenfalls fachkundige – Vertragspartner (wie auch im vorliegenden Fall) meint, der Fehler sei nicht in seiner Sphäre gelegen.

 

Die Vorinstanzen haben sich unter Beachtung dieser Rsp mit der Frage der Verjährung, insbesondere auch mit den damals für die Klägerin gegebenen Verdachtsmomenten einerseits und jenen Gründen andererseits auseinandergesetzt, warum die Klägerin im Frühjahr 2002 nicht schon alle anspruchsbegründenden Umstände gekannt hatte. Dabei haben sie va berücksichtigt, dass die Beklagte damals eine interne Produktanalyse der Fugenmasse angekündigt hatte, deren Ergebnisse und Analysen die Klägerin jedenfalls abwarten durfte. Die Verneinung der Verjährung des Leistungsbegehrens vom 17. 7. 2006 durch die Vorinstanzen ist deshalb jedenfalls vertretbar.