13.06.2016 Zivilrecht

OGH: Zur Schenkungsanrechnung gegenüber einem pflegenden Kind

Die Anrechnung einer Schenkung kann dann in Betracht kommen, wenn der Gepflegte selbst eine „Gegenleistung“ erbringen wollte und deshalb den pflegenden Angehörigen schenkungsweise bedachte


Schlagworte: Erbrecht, Familienrecht, Kinder, Eltern, Beistand, außerordentliche Pflegeleistungen, Abgeltung, Schenkung, Pflichtteil, Schenkungsanrechnung
Gesetze:

 

§ 137 ABGB, § 785 ABGB, § 90 ABGB

 

GZ 8 Ob 37/16y, 25.05.2016

 

OGH: Gem § 785 Abs 3 ABGB wird bei der Anrechnung von Schenkungen bei Berechnung des Nachlasses eine sittliche Pflicht des Erblassers sowohl gegenüber dem Ehegatten nach § 90 ABGB als auch gegenüber dem Kind nach § 137 ABGB zur Vornahme einer Schenkung dann bejaht, wenn der Ehegatte oder das Kind dem Erblasser Leistungen erbracht haben, die weit über das hinausgegangen sind, was ein Ehegatte oder ein Kind normalerweise für den Ehegatten oder den Elternteil im Rahmen der gesetzlichen Beistandspflicht leisten, so etwa wenn sie beträchtliche Pflegedienste erbringen und dadurch dem Erblasser der unumgängliche Aufenthalt in einem Pflegeheim erspart geblieben ist.

 

Aus § 137 Abs 2 ABGB kann abgeleitet werden, dass mehrere Kinder gleichermaßen von der Beistandspflicht betroffen sind. Hat demgegenüber eines der Kinder die Pflege eines Elternteils allein auf sich genommen und dadurch weit beschwerlichere und umfangreichere Leistungen erbracht, als es der Erfüllung der Beistandspflicht im üblichen Ausmaß entsprochen habe, so kann - gerade im Verhältnis zu den entlasteten Geschwistern - die sittliche Verpflichtung des begünstigten Elternteils zu einer angemessenen Schenkung an das pflegende Kind angenommen werden. Diese ist für die Frage von Bedeutung, ob im Verlassenschaftsverfahren bei Berechnung des Nachlasses (auf Verlangen eines pflichtteilsberechtigten Kindes) Schenkungen des Erblassers in Anrechnung zu bringen sind. Nach § 785 Abs 3 ABGB bleiben in dieser Hinsicht Schenkungen unberücksichtigt, die der Erblasser in Entsprechung einer sittlichen Pflicht oder aus Rücksicht des Anstands gemacht hat.

 

Die Schenkungsanrechnung gem § 785 ABGB soll der Gleichstellung aller pflichtteilsberechtigten Kinder dienen. Selbst unter Berücksichtigung dieser Wertung kann die Anrechnung einer Schenkung aber von vornherein nur dann in Betracht kommen, wenn der Gepflegte selbst eine „Gegenleistung“ erbringen wollte und deshalb den pflegenden Angehörigen schenkungsweise bedachte. Nur in einem solchen Fall kann davon gesprochen werden, dass der Erblasser mit der Schenkung einer sittlichen Pflicht für die Erbringung von außerordentlichen Pflegeleistungen entsprochen hat.