11.06.2016 Verfahrensrecht

VwGH: Zur Frage der Abgrenzung der Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte zur Entscheidung über Maßnahmenbeschwerden nach Art 130 Abs 1 Z 2 B-VG und dem Rechtsschutz nach § 106 Abs 1 StPO in der Fassung BGBl I Nr 195/2013

Entscheidend für die Abgrenzung der Maßnahmenbeschwerde nach Art 130 Abs 1 Z 2 B-VG vom Rechtschutz nach § 106 Abs 1 StPO ist nicht mehr, ob eine gerichtliche Ermächtigung oder staatsanwaltschaftliche Anordnung vorlag und die gesetzten Maßnahmen von dieser gedeckt waren, sondern die Rechtsgrundlage, auf Grund derer die Sicherheitsbehörden bzw deren Exekutivorgane eingeschritten sind und damit strafprozessuale oder sicherheits- bzw verwaltungspolizeiliche Befugnisse ausübten


Schlagworte: Maßnahmenbeschwerde, Einspruch wegen Rechtsverletzung
Gesetze:

 

Art 130 B-VG, § 106 StPO

 

GZ Ra 2015/01/0133, 19.01.2016

 

VwGH: Nach der stRsp des VwGH handelt es sich bei der Maßnahmenbeschwerde um ein subsidiäres Rechtsmittel und dienen die Regelungen über diese nur der Schließung einer Lücke im Rechtsschutzsystem, nicht aber der Eröffnung einer Zweigleisigkeit für die Verfolgung ein und desselben Rechtes.

 

Entscheidend für die Abgrenzung der Maßnahmenbeschwerde nach Art 130 Abs 1 Z 2 B-VG vom Rechtschutz nach § 106 Abs 1 StPO ist daher nicht mehr, ob eine gerichtliche Ermächtigung oder staatsanwaltschaftliche Anordnung vorlag und die gesetzten Maßnahmen von dieser gedeckt waren, sondern die Rechtsgrundlage, auf Grund derer die Sicherheitsbehörden bzw deren Exekutivorgane eingeschritten sind und damit strafprozessuale oder sicherheits- bzw verwaltungspolizeiliche Befugnisse ausübten.

 

Konnten sich diese (Behörden oder Organe) in concreto - bei objektiver Betrachtungsweise - rechtens auf die StPO oder auf andere (strafprozessuale) gesetzliche Bestimmungen stützen bzw glaubten diese - bei subjektiver Betrachtungsweise - sich zumindest auf solche Bestimmungen stützen zu können, so ist der Rechtschutz nach § 106 Abs 1 StPO anwendbar, der als speziellerer Rechtsschutz der Maßnahmenbeschwerde vorgeht.

 

Die vom VwG angeführte Rsp, nach der es zur Bestimmung der Zuständigkeit weiterhin darauf ankommt, ob die gesetzten Maßnahmen durch die gerichtlichen Anordnungen gedeckt waren, ist nicht einschlägig. Diese Rsp ist nämlich zu Hausdurchsuchungen nach § 12 WettbG ergangen, bei denen § 106 StPO nicht zur Anwendung kommt.

 

Auf die vorliegende Rechtssache übertragen bedeutet dies Folgendes:

 

Im vorliegenden Fall lagen nach den unstrittigen Feststellungen des VwG keine "doppelfunktionalen" Ermittlungshandlungen der einschreitenden Sicherheitsorgane vor, vielmehr war für alle von der Amtshandlung Betroffenen eindeutig erkennbar, dass es sich um ein Einschreiten der Exekutivorgane im Dienste der Strafjustiz handelte und somit seitens der Beamten der Kriminalpolizei strafprozessuale Befugnisse (als Kriminalpolizei iSd § 18 Abs 1 StPO) ausgeübt wurden.

 

Dies bedeutet, dass für die Bekämpfung dieser Handlungen der Rechtsschutz des § 106 Abs 1 StPO zur Verfügung stand.