OGH: Aufklärungspflicht – zur Arzthaftung
Über Behandlungsrisiken, die sich nur ganz selten und unter ganz bestimmten Umständen verwirklichen, ist nicht aufzuklären
§§ 1295 ff ABGB
GZ 1 Ob 39/16s, 31.03.2016
OGH: Nach den in der Judikatur gebildeten Grundsätzen soll die ärztliche Aufklärung den Einwilligenden instandsetzen, die Tragweite seiner Erklärung zu überschauen. Der Arzt muss den Patienten, um ihm eine selbstbestimmte Entscheidung zu ermöglichen, über mehrere zur Wahl stehende diagnostische oder therapeutische adäquate Verfahren informieren sowie, das Für und Wider mit ihm abwägen, wenn jeweils unterschiedliche Risiken entstehen können und der Patient eine Wahlmöglichkeit hat. Der konkrete Umfang der ärztlichen Aufklärungspflicht hängt von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls ab, wobei nicht auf alle denkbaren Folgen der Behandlung hinzuweisen ist, und bildet regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage.
Im vorliegenden Fall wird dem Beklagten vorgeworfen, nicht darüber aufgeklärt zu haben, dass es auch bei fachgerechter Behandlung zu unvorhersehbaren und auch wiederkehrenden (massiven) Schmerzzuständen kommen kann. Berücksichtigt man nun, dass die Somatisierungsstörung der Klägerin eine Anomalie darstellt, wäre eine Aufklärungspflicht nur dann zu bejahen, wenn diese Störung bei einer größeren Anzahl von Menschen auftritt und damit beim Aufklärungsgespräch ins Kalkül zu ziehen wäre oder der Arzt sonst - idR durch den Patienten - Informationen über das Bestehen einer solchen Störung erhalten hat. Beides wird von der Revisionswerberin nicht behauptet. Über Behandlungsrisiken, die sich nur ganz selten und unter ganz bestimmten Umständen verwirklichen, ist aber nicht aufzuklären.