OGH: Erhaltungspflicht iSd § 14a WGG (aF)
Das drohende Ablösen von Wandfliesen im Badezimmer stellt keine erhebliche Gesundheitsgefährdung iSd § 14a Abs 2 Z 2 zweiter Fall WGG dar und begründet daher auch keine Erhaltungspflicht der Bauvereinigung
§ 14a WGG, § 3 MRG
GZ 5 Ob 264/15g, 22.03.2016
OGH: Die Antragsgegnerin ist eine Bauvereinigung iSd § 1 Abs 1 WGG; deren Pflicht zur Erhaltung von aus dem Titel eines Miet- oder sonstigen Nutzungsvertrags zum Gebrauch überlassenen Wohnungen oder Geschäftsräume richtet sich nach § 14a WGG, der nach der Übergangsbestimmung des Art IV Abs 1r WGG auf das hier vorliegende Verfahren idF vor dem BGBl I 2015/157 anzuwenden ist.
Nach § 14a WGG in der hier anzuwendenden Fassung hat der Vermieter nach Maßgabe der rechtlichen, wirtschaftlichen und technischen Gegebenheiten und Möglichkeiten dafür zu sorgen, dass die Baulichkeit, die vermieteten oder zur Nutzung überlassenen Wohnungen oder Geschäftsräume und die der gemeinsamen Benützung der Bewohner der Baulichkeit dienenden Anlagen im jeweils ortsüblichen Standard erhalten und erhebliche Gefahren für die Gesundheit der Bewohner beseitigt werden (Abs 1).
Der Umfang der Erhaltungsarbeiten iSd Abs 1 wird durch den Katalog des § 14a Abs 2 WGG bestimmt. Die Erhaltung umfasst danach ua die Arbeiten, die zur Erhaltung der allgemeinen Teile der Baulichkeit erforderlich sind (Z 1) sowie die Arbeiten, die zur Erhaltung der Wohnungen, Geschäftsräume, Einstellplätze (Garagen) oder Abstellplätze der Baulichkeit erforderlich sind; diese Arbeiten jedoch nur dann, wenn es sich um die Behebung von ernsten Schäden der Baulichkeit oder um die Beseitigung einer vom Miet- oder sonstigen Nutzungsgegenstand ausgehenden erheblichen Gesundheitsgefährdung handelt (Z 2).
Die Bestimmung des § 14a WGG aF entspricht für den hier maßgeblichen Anwendungsbereich inhaltlich § 3 MRG, sodass insoweit auf die zu dieser Gesetzesstelle ergangene Judikatur zurückgegriffen werden kann. Grundsätzlich ziehen Unzulänglichkeiten an der Oberflächengestaltung im Inneren eines Bestandobjekts keine ernsten Schäden nach sich und gehören damit auch nicht zur Erhaltungspflicht des Vermieters. Zu Recht sind die Vorinstanzen daher davon ausgegangen, dass mit dem Lösen von Fliesen im Sanitärraum des Bestandobjekts keine ernsten Schäden der Baulichkeit iSd § 14a Abs 2 Z 2 erster Fall WGG verbunden sind. Solche werden auch vom Antragsteller in seiner Revisionsrekursbeantwortung nicht angesprochen.
Nach LuRsp fallen Arbeiten an den Wandoberflächen im Inneren eines Bestandobjekts und damit auch die Wiederherstellung der Wandverfliesung nur dann in die Erhaltungspflicht des Vermieters, wenn sie Folgearbeiten zu einer Erhaltungsmaßnahme sind. Solche Folgearbeiten sind hier nicht zu beurteilen.
Die durch die Wohnrechtsnovelle 2006 BGBl I 2006/124 (WRN 2006) sowohl für den Bereich des MRG als auch für den Geltungsbereich des § 14a WGG in der hier anzuwendenden Fassung eingeführte Verpflichtung des Vermieters zu Erhaltungsarbeiten im Inneren des Mietgegenstands, wenn von diesem eine erhebliche Gesundheitsgefährdung ausgeht, hatte ihren Ausgangspunkt in gefährlichen, weil nicht geerdeten Elektroinstallationen, sowie in der Diskussion über Blei im Trinkwasser. Ausdrücklich wurde dazu in den Materialien festgehalten, dass durch die Gesetzesänderung die in der Schieflage, wonach den Vermieter zwar eine Erhaltungspflicht auch für das Innere des Mietgegenstands trifft, wenn der fragliche Mangel einen ernsten Schaden des Hauses darstellt, nicht aber dann, wenn vom Zustand des Mietgegenstands eine Gefahr für Leib oder Leben des betreffenden Mieters ausgeht, ohne dass die Substanz des Hauses betroffen ist, geortete Wertungsinkongruenz beseitigt werden soll. Zur Klarstellung wurde auch festgehalten, dass eine „erhebliche Gesundheitsgefährdung“ nicht nur von Wasserleitungen aus Blei und ungeerdeten Elektroinstallationen, sondern beispielsweise auch von Asbest und anderen gefährlichen Baustoffen ausgehen kann.
Der Hinweis, dass es sich um eine erhebliche Gesundheitsgefährdung handeln muss, bringt zum Ausdruck, dass nicht jede Bagatellbeeinträchtigung die Erhaltungspflicht des Vermieters auslöst. Ob ein bestimmter Mangel die Erheblichkeitsschwelle überschreitet und damit die Pflichten des Vermieters zur Gefahrenabwehr begründet, ist nach objektiven Gesichtspunkten zu beurteilen.
Zwar wird die Erheblichkeitsschwelle nicht als allzu hohe Hürde vor der Inanspruchnahme der Erhaltungspflicht des Vermieters verstanden, sodass dessen Erhaltungspflicht nicht erst bei extremen, gar lebensbedrohenden, besonders intensiven Gefahren gegeben ist, sondern bei jeder signifikanten Gefährdung der körperlichen Integrität zum Tragen kommt. Die in den Gesetzesmaterialien genannten Beispiele, wie Wasserleitungen aus Blei, ungeerdete Elektroinstallationen, Asbest oder auch andere gefährliche Baustoffe machen aber deutlich, dass es sich um einen Zustand handeln muss, der sich unmittelbar negativ auf die Gesundheit des Mieters auswirkt und dabei die geforderte Erheblichkeitsschwelle übersteigt, jedenfalls aber geeignet ist, eine solche Gesundheitsbeeinträchtigung konkret herbeizuführen, insbesondere wenn dabei die Gefahr von deren Gefährdung umso größer wird, je länger der Zustand andauert. Davon unterscheidet sich der vorliegende Fall, bei dem sich - im Gegensatz zu den Fällen, die der Gesetzgeber der WRN 2006 vor Augen hatte - der Zustand des Mietgegenstands unmittelbar überhaupt nicht negativ auf die Gesundheit des Antragstellers auswirkt. Eine Gefährdung der körperlichen Integrität des Antragstellers erscheint bloß theoretisch unter der Voraussetzung möglich, dass er sich im Zeitpunkt des Ablösens einer Fliese von der Wand direkt in deren Falllinie oder aber zumindest im unmittelbaren Nahebereich der betroffenen Wand befindet. Einer solchen Gefahr kann der Antragsteller im Wissen um die Möglichkeit einer Ablösung schon dadurch leicht begegnen, indem er die von einer potenziellen Ablösung betroffenen Fliesen entfernt bzw - wie er es ohnedies getan hat - sonst sichert. Nach objektiven Kriterien ist eine unmittelbar vom Mietgegenstand ausgehende, erhebliche Gefährdung der körperlichen Integrität des Antragstellers daher zu verneinen. Aus diesen Erwägungen kann auch den Ausführungen des Rekursgerichts nicht näher getreten werden, das aus der Notwendigkeit einer Nutzung der seitlich von dieser Wand befindlichen Toilettenanlage auf eine erhebliche Gesundheitsgefährdung des Antragstellers schloss. Ob der Antragsgegnerin die begehrten Maßnahmen im Hinblick auf § 14c Abs 1a WGG überhaupt aufgetragen werden könnten, muss damit nicht mehr geprüft werden.