OGH: Mängelrüge nach § 377 UGB
Die Rügeobliegenheit entfällt nicht allein dadurch, dass im Vertrag eine bestimmte Eigenschaft der Sache zugesichert wurde
§ 377 UGB
GZ 2 Ob 22/16y, 25.02.2016
OGH: Die Untersuchungsanforderungen nach § 377 UGB hängen wesentlich von den Umständen des Einzelfalls ab, insbesondere von der Natur der Ware, den Branchengepflogenheiten, vom Gewicht möglicher Mangelfolgen und von Auffälligkeiten der Ware. Im konkreten Fall steht fest, dass eine Überprüfung in der Branche nur unterbleibt, wenn alle erforderlichen Papiere vorhanden sind. Hier fehlte aber ein Zulassungsformular, und der „Logkarte“ war der Grund des - zudem schon sechs Jahre zurückliegenden - Ausbaus des Rotorblatts nicht zu entnehmen. Unter diesen - objektiv Verdacht erregenden - Umständen ist die Annahme der Vorinstanzen, dass „bei ordnungsgemäßem Geschäftsgang“ (§ 377 Abs 1 UGB) ein Öffnen der Verpackung erforderlich gewesen wäre, jedenfalls vertretbar. Der Hinweis der Revision auf zusammen mit komplexen Geräten gelieferte Ersatzteile, die regelmäßig nicht gesondert untersucht würden, übersieht, dass es sich hier um einen gebrauchten Ersatzteil handelte, bei dem eine nach der Branchenübung erforderliche Dokumentation fehlte; damit unterscheidet sich der vorliegende Fall doch deutlich vom Erwerb eines „Kampfjets“ mit einem „Ersatzschleudersitz“. Soweit die Revision das Fehlen des EASA-Formulars als unerheblich abtut, geht sie nicht vom festgestellten Sachverhalt aus.
Ob ein Vertrag im Einzelfall richtig ausgelegt wurde, begründet nur dann eine erhebliche Rechtsfrage, wenn infolge einer wesentlichen Verkennung der Rechtslage ein unvertretbares Auslegungsergebnis erzielt wurde. Das gilt auch dann, wenn eine andere Auslegung ebenfalls vertretbar wäre. Eine unvertretbare Auslegung der „Garantieklausel“ liegt hier schon aufgrund des Wortlauts des Vertrags - der an anderer Stelle das Ersatzrotorblatt gesondert erwähnt - nicht vor. Zudem übersieht die Revision, dass die Rügeobliegenheit nicht allein dadurch entfällt, dass im Vertrag eine bestimmte Eigenschaft der Sache zugesichert wurde. Ein echter Garantievertrag, der einer Anwendung von § 377 UGB entgegenstünde, wurde durch die strittige Klausel keinesfalls begründet.