OGH: Zur Verletzung des rechtlichen Gehörs im Schiedsverfahren
Nur wenn die Gehörverletzung im staatlichen Verfahren mit Nichtigkeit zu ahnden wäre oder wenn der Gehörentzug einem Nichtigkeitsgrund wertungsmäßig zumindest nahe kommt, ist der Aufhebungstatbestand des § 611 Abs 2 Z 2 ZPO erfüllt
§ 611 Abs 2 Z 2 ZPO, § 182a ZPO, Art 6 MRK
GZ 18 OCg 3/15p, 23.02.2016
OGH: Ein Schiedsspruch kann nur dann wegen Verletzung des rechtlichen Gehörs angefochten werden, wenn einer Partei das rechtliche Gehör überhaupt nicht gewährt wurde. Das Verfahren zur Aufhebung eines Schiedsspruchs ist kein Rechtsmittelverfahren, sondern soll nur die Einhaltung von Mindestgarantien sichern. Im Schiedsverfahren können jedenfalls keine strengeren Anforderungen gelten als in einem staatlichen Zivilprozess.
Hätte die unterbliebene Erörterung der maßgeblichen Rechtsansicht in einem Verfahren vor staatlichen Gerichten allenfalls als Verfahrensmangel geltend gemacht werden können, so erreicht dies nicht das Gewicht eines nach § 611 Abs 2 Z 2 ZPO zur Aufhebung des Schiedsspruchs führenden Gehörentzugs - der von der Wertung her einem Nichtigkeitsgrund im Zivilprozess entspricht. Entscheidender Maßstab für die Beurteilung als Aufhebungsgrund nach § 611 Abs 2 Z 2 ZPO ist demnach das Gewicht, das einer Gehörverletzung im staatlichen Verfahren beigemessen wird, sollen doch die Anforderungen im Schiedsverfahren nicht strenger sein. Nur wenn die Gehörverletzung im staatlichen Verfahren mit Nichtigkeit zu ahnden wäre oder wenn der Gehörentzug einem Nichtigkeitsgrund wertungsmäßig zumindest nahe kommt, ist der Aufhebungstatbestand erfüllt.
Es entspricht auch der hA in Deutschland, dass das Schiedsgericht im Rahmen der Gewährung rechtlichen Gehörs nicht gehalten ist, den Parteien seine Rechtsansicht mitzuteilen und sie zur Äußerung hiezu aufzufordern. Nur wenn es von einer bereits geäußerten oder sonst erkenntlich gemachten Rechtsauffassung wieder abweicht und die Parteien im Vertrauen auf diese Auffassung von weiterem Vorbringen abgesehen haben, kommt eine Gehörverletzung in Betracht.