22.03.2016 Arbeitsrecht

VwGH: Entziehung der Sachverständigeneigenschaft gem § 10 SDG – zur Vertrauenswürdigkeit eines Sachverständigen iSd § 2 SDG (iZm unrichtiger Baufortschrittsmeldung)

Nach stRsp des VwGH betrifft die Frage der Vertrauenswürdigkeit eines Sachverständigen iSd SDG seine persönlichen Eigenschaften; es kommt darauf an, ob jemand in einem solchen Maße vertrauenswürdig ist, wie es die rechtssuchende Bevölkerung von jemandem erwarten darf, der in die Liste der Sachverständigen eingetragen ist; in Ansehung der bedeutsamen Funktion, die dem Sachverständigen bei der Wahrheitsfindung im gerichtlichen und behördlichen Verfahren obliegt, darf daher nicht der leiseste Zweifel an seiner Gesetzestreue, Korrektheit, Sorgfalt, Charakterstärke sowie an seinem Pflichtbewusstsein bestehen; bei dieser Beurteilung ist ein strenger Maßstab anzulegen; auch ein einmaliges - gravierendes - Fehlverhalten kann Vertrauensunwürdigkeit begründen


Schlagworte: Sachverständiger, Vertrauenswürdigkeit, Entziehung der Sachverständigeneigenschaft, unrichtige Baufortschrittsmeldung
Gesetze:

 

§ 2 SDG, § 10 SDG

 

GZ Ra 2015/03/0094, 16.12.2015

 

VwGH: Gem § 2 Abs 1 SDG sind die allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen in die Liste der allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen und Dolmetscher einzutragen, wenn die Voraussetzungen des § 2 Abs 2 SDG, darunter die "Vertrauenswürdigkeit" (Z 1 lit e) des Bewerbers, gegeben sind.

 

Gem § 10 Abs 1 SDG ist die Eigenschaft als allgemein beeideter und gerichtlich zertifizierter Sachverständiger durch Bescheid ua dann zu entziehen, wenn sich herausstellt, dass die Voraussetzungen für die Eintragung weggefallen sind (Z 1).

 

Das SDG enthält - wie auch weitere Gesetze, die als Voraussetzung für die Zulässigkeit der Aufnahme und der weiteren Ausübung einer beruflichen Tätigkeit Vertrauenswürdigkeit normieren (vgl etwa § 5 Abs 2 RAO hinsichtlich der anwaltlichen Tätigkeit; § 34 Abs 2 FSG hinsichtlich der Tätigkeit als Sachverständiger zur Begutachtung der gesundheitlichen Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen; § 57a Abs 2 KFG hinsichtlich der Durchführung der wiederkehrenden Begutachtung von Fahrzeugen; § 4 Abs 2 Z 3 ÄrzteG hinsichtlich der ärztlichen Tätigkeit; § 11 Z 4 PsychotherapieG hinsichtlich der Tätigkeit als Psychotherapeut) - keine nähere Begriffsbestimmung der Vertrauenswürdigkeit.

 

Nach stRsp des VwGH betrifft die Frage der Vertrauenswürdigkeit eines Sachverständigen iSd SDG seine persönlichen Eigenschaften. Es kommt darauf an, ob jemand in einem solchen Maße vertrauenswürdig ist, wie es die rechtssuchende Bevölkerung von jemandem erwarten darf, der in die Liste der Sachverständigen eingetragen ist. In Ansehung der bedeutsamen Funktion, die dem Sachverständigen bei der Wahrheitsfindung im gerichtlichen und behördlichen Verfahren obliegt, darf daher nicht der leiseste Zweifel an seiner Gesetzestreue, Korrektheit, Sorgfalt, Charakterstärke sowie an seinem Pflichtbewusstsein bestehen; bei dieser Beurteilung ist ein strenger Maßstab anzulegen; auch ein einmaliges - gravierendes - Fehlverhalten kann Vertrauensunwürdigkeit begründen.

 

Einem Zusammenhang mit der jeweiligen beruflichen Tätigkeit kommt bei Beurteilung des Erfordernisses der Vertrauenswürdigkeit besondere Bedeutung zu.

 

Dem angefochtenen Erkenntnis liegt die Auffassung zu Grunde, der Revisionswerber sei bei Erstattung des in Rede stehenden Gutachtens (Baufortschrittsmeldung) nicht mit der nötigen Sorgfalt und Rechtstreue vorgegangen; es fehle ihm daher die - für einen Sachverständigen erforderliche - Seriosität, weshalb die Eigenschaft als allgemein beeideter und gerichtlich zertifizierter Sachverständiger zu entziehen gewesen sei.

 

Das Revisionsvorbringen zeigt nicht auf, dass mit dieser Beurteilung die von der Jud des VwGH gezogenen Leitlinien überschritten worden seien.

 

Entgegen der Auffassung der Revision kann der Beurteilung nämlich nicht zu Grunde gelegt werden, das vom Revisionswerber in seiner Eigenschaft als Sachverständiger erstattete Gutachten sei "inhaltlich nicht unvertretbar" gewesen. Wesentliche - und einzige - Frage des abzugebenden Gutachtens war, ob Rohbau und Dach des zu beurteilenden Bauvorhabens "fertiggestellt" waren, hingegen war keine Beurteilung des Werts erbrachter Bauleistungen vorzunehmen oder der Wert von über den definierten Baufortschritt hinausgehenden Leistungen demjenigen der für die Erreichung dieses Baufortschritts noch erforderlichen Leistungen gegenüberzustellen. Demgemäß enthält die inkriminierte Baufortschrittsmeldung auch die Wendung, es werde "aus technischer Sicht der Status ... festgestellt", aber keinen Hinweis auf eine - allenfalls in einem Schadenersatzprozess gegen Bauträger oder Sachverständigen relevante - wertmäßige Gegenüberstellung. Dem Revisionswerber musste dabei - schon aufgrund der Besichtigung der Baustelle - klar sein, dass weder Dach noch Rohbau fertiggestellt waren.

 

Die Beurteilung des VwG, dieses Verhalten sei geeignet, das Vertrauen in die seriöse Arbeitsweise des Revisionswerbers als Sachverständiger begründet in Zweifel zu ziehen, ist angesichts des Gewichts der dem Revisionswerber angelasteten Verfehlung nicht zu beanstanden.