OGH: Zur Frage, ob zu den Ansprüchen aus „ehelichen Güterständen“ iSd Art 1 Abs 2 lit a EuGVVO auch ein Schadenersatzanspruch zählt, der aus einer Verletzung ehelicher Verhaltenspflichten oder Rechtsgüter abgeleitet wird
Eine Schadenersatzklage der betrogenen Ehefrau gegen ihren Ehemann wegen der Kosten eines Detektivs zur Feststellung des Ehebruchs fällt nach Art 1 Abs 2 lit a EuGVVO 2000 nicht in deren Anwendungsbereich
Art 1 EuGVVO, Art 5 EuGVVO
GZ 3 Ob 221/15v, 17.02.2016
Die Ehefrau begehrte (nur) von ihrem in Deutschland wohnhaften (geschiedenen) Ehemann den Ersatz ihres Schadens von 30.504,37 EUR sA an Honorar einer Detektei. Es habe sich der Verdacht ergeben, dass der Beklagte eine ehewidrige Beziehung pflege. Deshalb habe sie eine Detektei mit der Observierung des Beklagten beauftragt, um Gewissheit darüber zu erlangen, ob er tatsächlich eine außereheliche Beziehung führe. Das sei durch den Bericht bestätigt worden. Der Ehemann wendete ua fehlende internationale Zuständigkeit ein.
Das Erstgericht wies die Schadenersatzklage zurück, weil der Ausnahmetatbestand des Art 1 Abs 2 lit a EuGVVO nicht erfüllt sei, sodass zwar Art 5 Nr 3 EuGVVO zur Anwendung komme, aber zu keinem Gerichtsstand in Österreich führe. Es komme daher der allgemeine Gerichtsstand des Beklagten in Deutschland zum Tragen. Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung.
OGH: Der EuGH legt den Begriff der ehelichen Güterstände dem gegenüber weiter aus. Nach seiner Judikatur fallen unter diesen Ausschlusstatbestand grundsätzlich alle vermögensrechtlichen Beziehungen zwischen den Ehegatten, die sich unmittelbar aus der Ehe oder ihrer Auflösung ergeben, sowie alle Vermögensbeziehungen zwischen den Ehegatten, die in engem Zusammenhang mit solchen Fragen oder Beziehungen stehen.
Im Hinblick auf die vom EuGH vorgenommene weite Auslegung fallen nicht nur die ehelichen Güterstände im eigentlichen Sinn, sondern auch alle anderen vermögensrechtlichen Beziehungen, die sich aus der Ehe oder deren Auflösung ergeben, unter den Ausnahmetatbestand. Dadurch werden schwierige Abgrenzungen zwischen ehewirkungs- und ehegüterrechtlichen Vermögensfolgen vermieden.
Es führt aber nicht jeder Einfluss der Ehe auf den Ausgang eines Rechtsstreits zwischen Ehegatten zur Nichtanwendung der EuGVVO; das Recht der ehelichen Güterstände iSd Art 1 Abs 2 lit a EuGVVO ist vielmehr nur dann berührt, wenn die erhobenen Ansprüche unmittelbar aus der Ehe der Parteien hergeleitet werden. Hingegen fallen die vermögensrechtlichen Beziehungen unter Ehegatten, welche dem allgemeinen Schuld- und Sachenrecht unterstehen, in den Anwendungsbereich der EuGVVO; Art 1 Abs 2 lit a EuGVVO greift insoweit nicht ein. Für vermögensrechtliche Beziehungen, die zwischen den Ehegatten bestehen, jedoch keinen Zusammenhang mit der Ehe aufweisen, gilt die EuGVVO.
Der am 16. März 2011 von der Europäischen Kommission erstattete Vorschlag einer VO über die Zuständigkeit, das anwendbare Recht, die Anerkennung und die Vollstreckung von Entscheidungen im Bereich des Ehegüterrechts (EuGüVO oder Rom IVa-VO), KOM (2011) 126 endgültig, definiert in seinem Art 2 lit a ehelicher Güterstand als sämtliche vermögensrechtliche Regelungen, die im Verhältnis der Ehegatten untereinander sowie zwischen ihnen und Dritten gelten. Dieses weite Verständnis steht mit der oben referierten Auslegung durch den EuGH nicht im Widerspruch.
In der Judikatur des OGH wird der nacheheliche Aufteilungsanspruch als vom Ausnahmetatbestand des Art 1 Abs 2 lit a EuGVVO 2000 erfasst angesehen.
Auch aus einer anlässlich der Auflösung der Ehe getroffenen Vereinbarung abgeleitete Ansprüche stellen aus dem ehelichen Güterstand entspringende Ansprüche dar, weshalb die Anwendbarkeit der EuGVVO auf solche ausgeschlossen ist.
Der von der Klägerin gegen den Beklagten erhobene Anspruch ist zwar als Schadenersatzforderung dem allgemeinen Schuldrecht zuzuordnen (§§ 1293 ff ABGB), sein Auslöser liegt aber in einem Verstoß des Beklagten gegen seine durch den Ehevertrag (§ 44 ABGB) begründete Treuepflicht (§ 90 Abs 1 ABGB); er wäre deshalb ohne den Bestand der Ehe zwischen den Streitteilen undenkbar. Er wird somit unmittelbar aus der Ehe der Parteien abgeleitet, weshalb er das Recht der ehelichen Güterstände iSd Art 2 Abs 1 lit a EuGVVO 2000 berührt und deshalb unter diesen Ausnahmetatbestand zu subsumieren ist. Dieses Ergebnis harmoniert auch durchaus mit der vorgesehenen Definition des ehelichen Güterstand laut der vorgeschlagenen EuGüVO (Rom IVa-VO).