21.03.2016 Zivilrecht

OGH: Unfallversicherungen mit mitversicherter Dauerinvalidität und 15-Monate-Frist für die Geltendmachung von Dauerfolgen – zur Abgrenzung der den Versicherungsmakler treffenden Verpflichtungen zur sachgerechten Aufklärung

Die berufungsgerichtliche Verneinung einer Nachforschungspflicht ist im Hinblick auf die eindeutige Aussage des Klägers, es seien keine Dauerfolgen zu erwarten, nachdem er ausdrücklich über die Befristung der entsprechenden Geltendmachung von Versicherungsleistungen belehrt worden war, jedenfalls vertretbar; den vom Kläger übermittelten medizinischen Unterlagen waren zwar jeweils exakte Diagnosen, aber keinerlei Beurteilung dahin zu entnehmen, ob mit Dauerfolgen zu rechnen sei oder ob diese eher auszuschließen seien; ein entsprechendes medizinisches Fachwissen des Versicherungsmaklers hat das Berufungsgericht gleichfalls vertretbarerweise nicht vorausgesetzt


Schlagworte: Versicherungsrecht, Maklerrecht, Schadenersatzrecht, Unfallversicherung, Dauerinvalidität, 15-Monate-Frist, Aufklärungspflicht
Gesetze:

 

§ 3 MaklerG, § 28 MaklerG, §§ 1295 ff ABGB

 

GZ 4 Ob 245/15f, 23.02.2016

 

OGH: Der Makler hat die Interessen des Auftraggebers redlich und sorgfältig zu wahren (§ 3 Abs 1 MaklerG). Makler und Auftraggeber sind verpflichtet, einander die erforderlichen Nachrichten zu geben (§ 3 Abs 3 MaklerG). Gem § 28 Z 6 MaklerG umfasst die eben erwähnte Interessenwahrung insbesondere auch die Unterstützung des Versicherungskunden bei der Abwicklung des Versicherungsverhältnisses vor und nach Eintritt des Versicherungsfalls, namentlich auch bei Wahrnehmung aller für den Versicherungskunden wesentlichen Fristen. Als Fachmann auf dem Gebiet des Versicherungswesens ist es Hauptaufgabe des Versicherungsmaklers, dem Klienten mit Hilfe seiner Kenntnisse und Erfahrung bestmöglichen, den jeweiligen Bedürfnissen und Notwendigkeiten entsprechenden Versicherungsschutz zu verschaffen. Aus dem Treueverhältnis zwischen Auftraggeber und Makler ergeben sich für letzteren Schutzpflichten, Sorgfaltspflichten und Beratungspflichten, besonders dann, wenn es sich beim Auftraggeber um eine geschäftlich ungewandte und unerfahrene Person handelt oder wenn entsprechende Vereinbarungen über eine über die eigentliche Vermittlungstätigkeit hinausgehende Tätigkeit des Maklers getroffen wurden. Der Haftungsmaßstab des Versicherungsmaklers ist jener des § 1299 ABGB. Die Beurteilung einer Pflichtverletzung ist jeweils im Einzelfall unter Berücksichtigung der vom Makler erkennbaren Interessen des Auftraggebers vorzunehmen. Mehrfach hat der OGH auch bereits ausgesprochen, dass eine besondere Nachforschungspflicht des Maklers nicht besteht, wenn er keine Veranlassung hat, an der Richtigkeit einer Information zu zweifeln. In diesem Fall ist der nicht zu Nachforschungen verpflichtete Makler auch berechtigt, eine Information weiterzugeben. Er darf in diesem Fall lediglich nicht den Eindruck erwecken, er habe den Wahrheitsgehalt überprüft. Eine Aufklärungspflicht, die einer anwaltlichen Beratungstätigkeit gleichkommt, trifft den Makler nicht.

 

Auch wenn die bisher in der Rsp in diesem Zusammenhang behandelten Fälle nicht unmittelbar mit dem Anlassfall vergleichbar sind und noch kein Fall die erforderliche Aufklärung iZm der Befristung der Geltendmachung von Dauerfolgeschäden im Rahmen der privaten Unfallversicherung betraf, ist die Lösung der Frage, inwieweit einen Makler im konkreten Fall die Pflicht trifft, aufgrund des Inhalts der an ihn übermittelten medizinischen Unterlagen allenfalls doch weitere Nachforschungen oder zumindest Rückfragen anzustellen, von den Umständen des Einzelfalls abhängig und entzieht sich daher einer generalisierenden Beantwortung. Die Kasuistik des Einzelfalls schließt idR eine beispielgebende Entscheidung aus, steht also der Erheblichkeit der Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO entgegen.

 

Die berufungsgerichtliche Verneinung einer Nachforschungspflicht in diesem Fall ist im Hinblick auf die eindeutige Aussage des Klägers, es seien keine Dauerfolgen zu erwarten, nachdem er ausdrücklich über die Befristung der entsprechenden Geltendmachung von Versicherungsleistungen belehrt worden war, jedenfalls vertretbar. Den vom Kläger übermittelten medizinischen Unterlagen waren zwar jeweils exakte Diagnosen, aber keinerlei Beurteilung dahin zu entnehmen, ob mit Dauerfolgen zu rechnen sei oder ob diese eher auszuschließen seien. Ein entsprechendes medizinisches Fachwissen des Versicherungsmaklers hat das Berufungsgericht gleichfalls vertretbarerweise nicht vorausgesetzt.

 

Schließlich liegt auch keine im Interesse der Rechtssicherheit aufzugreifende Fehlbeurteilung vor, wenn das Berufungsgericht eine unmittelbare Handlungs-/Vertretungspflicht der beklagten Maklerin bei Einholung ärztlicher Befundberichte verneint, die ohne Mitwirkung des Klägers selbst nicht eingeholt und an die Unfallversicherung übermittelt werden können. Auch diese vom Kläger ergänzend vorgebrachte Anspruchsgrundlage wurde daher vertretbar verneint.