15.03.2016 Zivilrecht

OGH: Zur Frage, ob die nicht vollendeten Arbeiten zur Herstellung eines vertraglich vereinbarten Wegs Widersetzlichkeit iSd § 1488 ABGB darstellen können

Der Beklagte hat kein Hindernis für die Ausübung der Wegedienstbarkeit errichtet, sondern er hat die Arbeiten, zu denen er nach dem Vertrag mit dem Rechtsvorgänger des Klägers verpflichtet war, nicht fortgesetzt und zum Abschluss gebracht; aus dieser Vorgangsweise konnte der damalige Servitutsberechtigte jedoch gerade nicht ableiten, dass der Beklagte den Weg auch in weiterer Folge nicht errichten würde


Schlagworte: Servitut, Verjährung, Freiheitsersitzung, Widersetzlichkeit, nicht vollendete Arbeiten zur Herstellung eines vertraglich vereinbarten Wegs
Gesetze:

 

§ 1488 ABGB, §§ 472 ff ABGB

 

GZ 8 Ob 122/15x, 19.02.2016

 

OGH: Eine „Freiheitsersitzung“ nach § 1488 ABGB erfordert die Inanspruchnahme des Vollrechts durch den Eigentümer der belasteten Liegenschaft iVm einer manifesten Beeinträchtigung des Servitutsrechts, die dessen Ausübung verhindert. Die Frage, ob im Einzelfall der Verlust der Servitut eingetreten ist, muss aufgrund der konkreten Umstände beurteilt werden und bildet regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO. Dies gilt - entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts - auch für den hier zu entscheidenden Fall der nicht vollendeten Arbeiten zur Herstellung eines vertraglich vereinbarten Wegs.

 

Der Begriff der Widersetzlichkeit in § 1488 ABGB vereint eine physische Komponente, nämlich die Widersetzungshandlung, die für den Berechtigten wahrnehmbar und manifest sein muss, und eine zeitliche, nämlich keine bloß vorübergehende Störung. Dass sich der Verpflichtete der tatsächlichen Ausübung der Dienstbarkeit widersetzen müsse, ist nach der neueren Judikatur nicht mehr erforderlich; es genügt vielmehr, dass der Dienstbarkeitsberechtigte das Hindernis, das die Ausübung seiner Dienstbarkeit zumindest beeinträchtigt, bei gewöhnlicher Sorgfalt hätte wahrnehmen können. Es genügt die Errichtung eines Hindernisses, das die Ausübung des Rechts für den Berechtigten wahrnehmbar unmöglich macht oder beeinträchtigt.

 

Der Revisionswerber gesteht hier selbst zu, dass die zwischen den Grundstücken bis zum Jahr 2013 vorhandene Geländekante, die er nun als „Hindernis“ für die Ausübung der Wegedienstbarkeit ansehen will, nur eine Auswirkung seines ersten Arbeitsschritts zur Herstellung des laut vertraglicher Verpflichtung von ihm zu errichtenden Wegs (und ein bloßes „Provisorium“) war. Dass der Rechtsvorgänger des Klägers diesen Zustand „akzeptiert“ (und auf die Herstellung des Wegs verzichtet?) hätte, lässt sich dem Sachverhalt - entgegen der Ansicht des Beklagten - nicht entnehmen. Der Beklagte hat kein Hindernis für die Ausübung der Wegedienstbarkeit errichtet, sondern er hat die Arbeiten, zu denen er nach dem Vertrag mit dem Rechtsvorgänger des Klägers verpflichtet war, nicht fortgesetzt und zum Abschluss gebracht. Aus dieser Vorgangsweise konnte der damalige Servitutsberechtigte jedoch gerade nicht ableiten, dass der Beklagte den Weg auch in weiterer Folge nicht errichten würde.

 

Die Beurteilung der Vorinstanzen, nach der hier eine Freiheitsersitzung nach § 1488 ABGB nicht in Betracht kommt, ist jedenfalls vertretbar.