15.03.2016 Zivilrecht

OGH: Leitungswasserversicherung – „lagern“ iSv Art 2.12 AWB 1998 und zur Frage, ob der Risikoausschluss des Art 2.12 AWB 1998 im Fall eines Schadeneintritts in einem Möbelhaus auch ausgestellte Gegenstände umfasst

Nach Art 2.12 AWB 1998 sind auch Waren in unter Erdniveau befindlichen Ausstellungsräumen vom Versicherungsschutz ausgenommen, wenn diese nicht mindestens 12 cm über dem Fußbodenniveau aufgestellt sind


Schlagworte: Versicherungsrecht, Leitungswasserversicherung, Risikoausschluss, lagern, Möbelbranche, Ausstellung
Gesetze:

 

Art 2 AWB 1998, Bes.Bed. Nr. 9560, § 6 VersVG

 

GZ 7 Ob 227/15f, 27.01.2016

 

Die Klägerin betreibt ein Möbelhaus. Sie hat beim beklagten Versicherer eine Leitungswasserversicherung abgeschlossen, der die Allgemeinen Bedingungen für die Leitungswasserversicherung (AWB 1998) und die Besondere Bedingung Nr. 9560 S***** & H***** - Waren und Vorräte in Räumen unter Erdniveau (in der Folge: Bes.Bed. 9560) zugrunde liegen.

 

Art 1 und 2 AWB 1998 lauten auszugsweise:

 

„Artikel 1

 

Versicherte Gefahren und Schäden

 

1. Versichert sind Schäden, die

 

1.1 durch die unmittelbare Einwirkung von Leitungswasser eintreten, das aus wasserführenden Rohrleitungen, Armaturen oder angeschlossenen Einrichtungen austritt (Schadenereignis).

 

1.2 als unvermeidliche Folge dieses Schadenereignisses eintreten.

 

...

 

Artikel 2

 

Nicht versicherte Schäden

 

Nicht versichert sind, auch nicht als unvermeidliche Folge eines Schadenereignisses:

 

 

12. Schäden an unter Erdniveau befindlichen Waren, die nicht mindestens 12 cm über dem Fußboden lagern;

 

...“

 

Die Bes.Bed. 9560 lautet:

 

„Es gelten folgende Ergänzungen bzw. Erweiterungen zu den Allgemeinen Bedingungen für die Leitungswasserversicherung (AWB) 1998:

 

Im Rahmen der Versicherungssumme für Betriebseinrichtung und/oder Waren, Vorräte gelten mitversichert:

 

Waren, Vorräte unter Erdniveau

 

Schäden an Waren, Vorräten in Räumen unter Erdniveau gelten mitversichert, sofern sie mindestens 12 cm über dem Fußboden lagern.“

 

 

OGH: Nach Art 1.1 AWB 1998 sind in der Leitungswasserversicherung Sachschäden versichert, die durch die unmittelbare Einwirkung von Leitungswasser eintreten, das aus wasserführenden Rohrleitungen, Armaturen oder angeschlossenen Einrichtungen austritt. Art 2 AWB 1998 enthält dazu Risikoausschlüsse. Nach Art 2.12 AWB 1998 sind - auch nicht als unvermeidliche Folge eines Schadenereignisses - Schäden an unter Erdniveau befindlichen Waren, die nicht mindestens 12 cm über dem Fußboden lagern, nicht versichert. Im Revisionsverfahren ist allein die Frage zu klären, ob dieser Risikoausschluss im hier vorliegenden Fall eines Schadeneintritts in einem Möbelhaus auch ausgestellte Gegenstände umfasst.

 

Die allgemeine Umschreibung des versicherten Risikos erfolgt durch die primäre Risikobegrenzung. Durch sie wird in grundsätzlicher Weise festgelegt, welche Interessen gegen welche Gefahr und für welchen Bedarf versichert sind. Auf der zweiten Ebene (sekundäre Risikobegrenzung) kann durch einen Risikoausschluss ein Stück des von der primären Risikoabgrenzung erfassten Deckungsumfangs ausgenommen und für nicht versichert erklärt werden. Der Zweck liegt darin, dass ein für den Versicherer nicht überschaubares und kalkulierbares Teilrisiko ausgenommen und eine sichere Kalkulation der Prämie ermöglicht werden soll. Mit dem Risikoausschluss begrenzt also der Versicherer von vornherein den Versicherungsschutz, ein bestimmter Gefahrenumstand wird von Anfang an von der versicherten Gefahr ausgenommen. Als Ausnahmetatbestände, die die vom Versicherer übernommene Gefahr einschränken oder ausschließen, dürfen Ausschlüsse nicht weiter ausgelegt werden, als es ihr Sinn unter Betrachtung ihres wirtschaftlichen Zwecks und der gewählten Ausdrucksweise sowie des Regelungszusammenhangs erfordert. Den Beweis für das Vorliegen eines Risikoausschlusses als Ausnahmetatbestand hat der Versicherer zu führen.

 

Die Revisionswerberin strebt eine Berücksichtigung des Verwendungszwecks der Waren an, wenn sie zu ihren Gunsten eine Differenzierung zwischen „gelagerten“ und „ausgestellten“ Waren reklamiert. Dieser Rechtsansicht ist nicht zu folgen.

 

In diesem Zusammenhang haben bereits die Vorinstanzen zutreffend darauf verwiesen, dass der einleitende Wortlaut des Art 2.12 AWB 1998, wonach der Schadenseintritt an unter dem Erdniveau befindlichen Waren ausgeschlossen wird, nicht zwischen verschiedenen Formen der Aufbewahrung unterscheidet. Beschrieben wird damit jede Form der Positionierung von Waren; eine Einschränkung auf „eingelagerte“ Waren im kaufmännischen Sinn ist dem gerade nicht zu entnehmen. Das Wort „lagern“ kommt erst im Beisatz vor; dieser befasst sich jedoch allein mit der örtlichen Situierung der Waren in Souterrainräumen, weshalb schon dieser Umstand dafür spricht, dass das Wort „lagern“ ganz allgemein iSv „aufgestellt/positioniert“ zu verstehen ist.

 

Weiters ist der offenkundig mit dieser Klausel verfolgte Zweck zu berücksichtigen, die höhere Schadensneigung im Rahmen einer Leitungswasserversicherung bei in tiefer gelegenen Gebäudeteilen situierten Waren zu reduzieren, sammelt sich doch Wasser grundsätzlich dem Gesetz der Schwerkraft folgend in den unteren Bereichen an. Diese Gefahr ist vom Grund für die Aufbewahrung unabhängig. Auch dies spricht dafür, dass mit der Verwendung des Begriffs „lagern“ im Beisatz nur der Umstand der Aufstellung (in einer bestimmten Höhe), nicht jedoch die Einschränkung auf den Verwendungszweck der „Einlagerung“ angesprochen wird.

 

Damit in Einklang unterscheidet die Bes.Bed. Nr. 9560 nicht zwischen Lagerware („Vorräte“) und anderen Warenbeständen, worunter auch Ausstellungsstücke fallen. Hier wird die Mitversicherung einheitlich von einer entsprechenden bodenfernen Lagerung abhängig gemacht.

 

Für ein anderes Auslegungsergebnis für die Möbelbranche bieten die Bedingungen keinen Raum. Die Vorinstanzen haben bereits zutreffend darauf verwiesen, dass es sich bei der Leitungswasserversicherung um kein besonderes Versicherungsprodukt für die Möbelbranche, sondern um eine grundsätzlich für jedermann offenstehende Versicherung handelt. Damit sind branchenspezifische Überlegungen nur dann zu berücksichtigen, wenn sie in die Vertragsgespräche gesondert Eingang gefunden haben; dafür gibt es aber keine Anhaltspunkte.

 

Nach Art 2.12 AWB 1998 sind auch Waren in unter Erdniveau befindlichen Ausstellungsräumen vom Versicherungsschutz ausgenommen, wenn diese nicht mindestens 12 cm über dem Fußbodenniveau aufgestellt sind.