OGH: Antrag auf Gewährung einer Invaliditätspension – zur Sperrfrist iSd § 362 Abs 3 ASVG nF
Mit der Einführung einer Sperrfrist nach Zurückziehung einer Klage auf Pension aus dem Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit soll eine kurzfristige neuerliche Antragstellung ohne eine wesentliche Änderung der zuletzt festgestellten Minderung der Arbeitsfähigkeit verhindert werden
§ 362 ASVG, § 255 ASVG, § 273 ASVG, § 254 ASVG, § 271 ASVG
GZ 10 ObS 88/15m, 15.12.2015
OGH: Die Bestimmung des § 362 ASVG idF BGBl I 2015/2 sieht in den Fällen, in denen ua eine abweisende Entscheidung über einen Antrag auf Zuerkennung einer Pension aus dem Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit ergangen ist bzw ein solches Verfahren durch Klagsrückziehung endete, vor, dass während einer Frist von 18 bzw 12 Monaten ein neuerlicher Antrag zurückzuweisen ist, wenn keine wesentliche Änderung der zuletzt festgestellten Minderung der Arbeitsfähigkeit glaubhaft bescheinigt wird.
Mit der Einführung einer Sperrfrist nach Zurückziehung einer Klage auf Pension aus dem Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit in § 362 Abs 3 ASVG durch das BudgetbegleitG 2011 (BGBl I 2010/111) wurde eine Regelungslücke geschlossen. Hier wird zwar ebenfalls eine vorangegangene Entscheidung des Sozialversicherungsträgers - also eine inhaltliche Prüfung - vorausgesetzt, die aber durch Erhebung der sukzessiven Klage außer Kraft getreten ist. In einer solchen Situation liegt - bei Zurückziehung einer Klage der Bescheid nicht wieder auflebt (§ 72 Z 1 ASGG) - keine rechtskräftige Entscheidung vor, die eine Sperrfrist nach § 362 Abs 1 und 2 ASVG auslösen kann. Der Versicherte hätte dann stets ohne Beschränkung die Möglichkeit, neuerliche Anträge zu stellen, sobald er durch Erhebung der Klage den negativen Bescheid beseitigt hat. Durch die Regelung des § 362 Abs 3 ASVG soll verhindert werden, dass kurzfristig - ohne Verschlimmerung - aus bestimmten Motiven (Pensionsvorschuss) derartige neuerliche Anträge auf dieselbe Leistung beim Sozialversicherungsträger gestellt werden. Innerhalb von 12 Monaten nach Zurückziehung einer Klage neuerlich eingebrachte Anträge auf Zuerkennung einer Pension nach Abs 2 sind demnach - wenn nicht eine wesentliche Änderung der zuletzt festgestellten Minderung der Arbeitsfähigkeit bescheinigt wird - zurückzuweisen.
Mit der Regelung des § 362 ASVG wird somit entgegen den Ausführungen im Revisionsrekurs nicht allgemein eine meritorische Entscheidung verweigert, sondern lediglich aufgrund eines bereits (rechtskräftig) abgeschlossenen Verfahrens ohne wesentliche Änderung der Verhältnisse eine neuerliche Prüfung eines solchen Anspruchs für eine bestimmte Zeit ausgeschlossen. Darin ist kein Verstoß gegen Art 6 EMRK bzw keine Verfassungswidrigkeit zu erkennen.
Auch der Umstand, dass im Anwendungsbereich des § 362 Abs 3 ASVG aufgrund der Klagsrückziehung die Bescheinigung der wesentlichen Änderung gegenüber dem Vorverfahren nicht durch einen Vergleich mit Feststellungen einer Vorentscheidung sondern mit dem sich aus den Verfahrensergebnissen ergebenden Gesundheitszustand des Klägers zu erfolgen hat, ist nicht geeignet, verfassungsrechtliche Bedenken zu erwecken.
Hat der Versicherungsträger in den Fällen des § 362 ASVG den Antrag zurückgewiesen, so obliegt es nach § 68 ASGG dem Versicherten, dem Gericht eine wesentliche Änderung des zuletzt festgestellten Gesundheitszustands glaubhaft zu machen. Es muss sich das festgestellte Leiden entweder verschlechtert haben oder ein neues Leiden hinzugetreten sein. Wenn auch keine allzu hohen Anforderungen an die Bescheinigung einer Verschlechterung des Leidens oder des Hinzutretens eines neuen Leidens gestellt werden sollen, so müssen die Bescheinigungsmittel doch geeignet sein, dem Richter die Überzeugung von der Wahrscheinlichkeit einer Tatsache zu verschaffen. Gelingt dem Kläger die Glaubhaftmachung nicht, ist die Klage wegen Unzulässigkeit des Rechtswegs zurückzuweisen. Es fehlt dann an der Voraussetzung eines über den Leistungsantrag des Versicherten materiell absprechenden Bescheids des Versicherungsträgers und an der weiteren Voraussetzung der Glaubhaftmachung einer wesentlichen Änderung der Anspruchsvoraussetzungen.