29.02.2016 Wirtschaftsrecht

OGH: Abberufung von Stiftungsorganen gem § 27 PSG – Abschluss eines zustimmungspflichtigen Geschäfts ohne Einholung der Zustimmung des Zustimmungsberechtigten als grobe Pflichtverletzung?

Ob ein wichtiger Grund vorliegt, ist immer unter dem Gesichtspunkt des Funktionierens der Privatstiftung danach zu entscheiden, ob die Verfolgung des Stiftungszwecks mit ausreichender Sicherheit in der Zukunft gewährleistet ist; mit Rücksicht auf die bei der Privatstiftung fehlenden Kontrollmechanismen ist der Beurteilung, ob ein Abberufungsgrund vorliegt, kein strenger Maßstab zugrunde zulegen


Schlagworte: Privatstiftung, Abberufung von Stiftungsorganen, wichtiger Grund, grobe Pflichtverletzung, Abschluss eines zustimmungspflichtigen Geschäfts ohne Einholung der Zustimmung
Gesetze:

 

§ 27 PSG, § 16 PSG, § 17 PSG

 

GZ 6 Ob 244/15y, 14.01.2016

 

OGH: Nach § 27 Abs 2 PSG hat das Firmenbuchgericht ein Mitglied eines Stiftungsorgans auf Antrag oder von Amts wegen aus wichtigem Grund abzuberufen, wobei nach Z 1 der Bestimmung eine grobe Pflichtverletzung als wichtiger Grund gilt.

 

Ob eine Pflichtverletzung eines Organmitglieds einer Privatstiftung vorliegt und ob diese grob ist, ist regelmäßig anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls zu prüfen.

 

Ob ein wichtiger Grund vorliegt, ist immer unter dem Gesichtspunkt des Funktionierens der Privatstiftung danach zu entscheiden, ob die Verfolgung des Stiftungszwecks mit ausreichender Sicherheit in der Zukunft gewährleistet ist. Mit Rücksicht auf die bei der Privatstiftung fehlenden Kontrollmechanismen ist der Beurteilung, ob ein Abberufungsgrund vorliegt, kein strenger Maßstab zugrunde zulegen.

 

Die vom Rekursgericht zitierte Meinung Arnolds, je nach den Umständen des Einzelfalls könne auch eine einzelne Pflichtverletzung, die noch nicht als grob zu bezeichnen sei, einen Abberufungsgrund bilden, ist unrichtig, weil sie dem klaren und eindeutigen Gesetzeswortlaut des § 27 Abs 2 Z 1 PSG widerspricht, der eben eine grobe Pflichtverletzung verlangt. Damit steht jene Rsp nicht im Widerspruch, wonach mehrere einzelne Pflichtverletzungen, die jede für sich allein betrachtet noch keine grobe Pflichtverletzung darstellen, bei einer Gesamtschau eine Abberufung rechtfertigen können und somit in ihrer Gesamtheit als grobe Pflichtverletzung angesehen werden können.

 

Der Revisionsrekurswerber meint, ihm falle nicht nur keine grobe, sondern überhaupt keine Pflichtverletzung zur Last, da er (offenbar wegen der kollektiven Vertretungsbefugnis der Vorstandsmitglieder) keine wirksame Vertretungshandlung gesetzt habe. Zur Frage, ob bzw unter welchen Umständen eine rechtlich nicht bindende Äußerung eines einzelnen Stiftungsvorstandsmitglieds im Außenverhältnis ohne Zustimmung der anderen Vorstandsmitglieder einen Pflichtverstoß begründen könne, liege keine höchstgerichtliche Rsp vor.

 

Der Rechtsmittelwerber ist dazu auf jene Rsp zu verweisen, wonach die Nichteinholung der gerichtlichen Genehmigung eines Rechtsgeschäfts zwischen einer Privatstiftung und einem ihrer Vorstandsmitglieder gem § 17 Abs 5 PSG regelmäßig (auch für sich allein) eine grobe Pflichtverletzung darstellt. Auch ein derartiges Rechtsgeschäft ist ohne gerichtliche Genehmigung nach § 17 Abs 5 PSG unwirksam, weil diese Wirksamkeitserfordernis ist.

 

Nach § 16 PSG haben die Mitglieder des Stiftungsvorstands in der Weise zu zeichnen, dass sie dem Namen der Privatstiftung ihre Unterschrift beifügen. Dass das Handeln des Revisionsrekurswerbers für die Privatstiftung nicht firmenmäßig iSd § 16 PSG gezeichnet war, macht sein Handeln für die Stiftung nicht unwirksam: Die gesetzliche Anordnung des § 16 PSG stellt eine bloße Ordnungsvorschrift dar, von deren Einhaltung die Wirksamkeit der Vertretungshandlung nicht abhängt. Dass hier der Revisionsrekurswerber für die Stiftung handelte, ist angesichts der Beifügung „Vorstand der L***** Privatstiftung“ zu seinem Namen nicht zweifelhaft.