OGH: Räumung iZm Mietzinsverzug – Eingriff in Eigentumsrechte Dritter
Massive Mietzinsforderungen und der Umstand, dass sich der Mieter „völlig taub“ stellt, rechtfertigen keine eigenmächtige Räumung; darauf, ob die beklagte Partei oder ihre Leute nicht davon in Kenntnis gewesen sind, dass im Lager Fremdeigentum verwahrt wurde, kommt es gar nicht an, weil maßgebend (und ausreichend) für die subjektive Vorwerfbarkeit nicht die Kenntnis ist, in wessen Eigentumsrecht eingegriffen wird, sondern die Kenntnis oder vorwerfbare Unkenntnis („Kennenmüssen“) davon, dass in fremdes Eigentum eingegriffen wird
§ 19 ABGB, §§ 1295 ff ABGB
GZ 1 Ob 216/15v, 22.12.2015
Die Klägerin ist bildende Künstlerin. Ihre Werke werden häufig publiziert. Ein guter Bekannter erlaubte ihr, unentgeltlich - als Freundschaftsdienst - Bilder und auch Kataloge bei ihm in der Werkstätte einzulagern. Er geriet mit den Mietzinszahlungen in Verzug. Seine Vermieterin, die beklagte Partei, verwahrte zwei sehr große Bilder der Klägerin selbst und ließ dann das Objekt ohne gerichtliche Zuhilfenahme räumen. Die übrigen fünf Bilder und die Kataloge wurden über das beauftrage Räumungsunternehmen mit zu geringen Preisen verkauft, wobei die Kataloge teilweise nicht verkauft, sondern zu den Bildern „dazu gegeben“ wurden. Als die Klägerin davon erfuhr, versuchte sie die Bilder zurückzukaufen. Deren Käufer waren nicht bereit, die von ihnen bezahlten geringen Preise zu akzeptieren. Die Klägerin war finanziell nicht dazu in der Lage, die Bilder zu den gewünschten deutlich höheren Preisen zurückzukaufen.
Nach einem Teilankerkenntnisurteil über das Begehren auf Herausgabe der zwei von der beklagten Partei gesondert verwahrten großen Bilder gab das Erstgericht dem Begehren auf Schadenersatz für die im Zuge der eigenmächtigen Räumung schließlich verkauften Bilder und Kataloge statt.
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Es beurteilte das Handeln der beklagten Partei als unerlaubte Selbsthilfe iSd § 19 ABGB. Massive Mietzinsforderungen und der Umstand, dass sich der Mieter „völlig taub“ stelle, rechtfertigten keine eigenmächtige Räumung. Darauf, ob die beklagte Partei oder ihre Leute nicht davon in Kenntnis gewesen wären, dass im Lager Fremdeigentum verwahrt worden sei, komme es gar nicht an, weil maßgebend (und ausreichend) für die subjektive Vorwerfbarkeit nicht die Kenntnis sei, in wessen Eigentumsrecht eingegriffen werde, sondern die Kenntnis oder vorwerfbare Unkenntnis („Kennenmüssen“) davon, dass in fremdes Eigentum eingegriffen werde.
OGH: Die Ausführungen der Revisionswerberin dazu, dass LuRsp im Wesentlichen den Direktanspruch bei Ersatz von bloßen Vermögensschäden aus der Deliktshaftung ablehnten, gehen schon deshalb ins Leere, weil die Klägerin im vorliegenden Fall den Eingriff in ein absolut geschütztes Rechtsgut, nämlich in ihr Eigentum an den Bildern und an den Katalogen, geltend machte.
Gleiches gilt für die Ausführungen zum Fehlen von höchstgerichtlicher Rsp, aus der sich ableiten lasse, dass jemand, der einem Verwahrer Gegenstände zur Verwahrung übergeben habe, direkte Schadenersatzansprüche gegen den zur Selbsthilfe greifenden Dritten nicht geltend machen könne. Die beklagte Partei behauptet dazu, die Klägerin habe wegen ihres mit dem Mieter abgeschlossenen Verwahrungsvertrags einen eigenen direkten (und deckungsgleichen) Schadenersatzanspruch gegen den Verwahrer.
Es fehlt dabei hier aber schon der von ihr unrichtig unterstellte Verwahrungsvertrag. Bei bloßen Gefälligkeitsverhältnissen, wie dem hier festgestellten, liegt gerade kein Verwahrungsvertrag vor.
Die Entscheidung des OGH zu 5 Ob 669/80 betrifft entgegen den Behauptungen der beklagten Partei nicht das Verhältnis zwischen Vermieter und Mieter, sondern jenes zwischen Vermieter und einem Dritten, der in den Bestandräumlichkeiten Möbel abgestellt hatte. Damals wurde der Anspruch der klagenden Vermieterin auf Zahlung der Kosten der Räumung abgewiesen, weil eine eigenmächtige Räumung keine gerechtfertigte Selbsthilfemaßnahme darstellt.
Im Übrigen hatte der OGH bereits zu 1 Ob 186/97b einen Eingriff (auch) in das Eigentum eines Dritten (dasjenige des Sohnes der damaligen Klägerin, die die Mieterin gewesen war) zu beurteilen und ging damals beim Verkauf ohne Auftrag durch das Gericht von einem unzulässigen Eingriff in das Eigentumsrecht der Klägerin bzw deren Sohnes (der seine Ansprüche an die Klägerin abgetreten hatte) als absolutes Recht schlechthin aus.
Die Bejahung des auf der Verletzung eines absolut geschützten Rechtsguts beruhenden Schadenersatzanspruchs der Klägerin wegen der unzulässigen Selbsthilfe iSd § 19 ABGB ist daher nicht zu beanstanden.