16.02.2016 Zivilrecht

OGH: Betriebshaftpflichtversicherung und sekundärer Risikoausschluss nach Bes.Bed. Nr. 22

Zur Absicherung des Grundsatzes, dass die bedungene Leistung des Versicherungsnehmers nicht versichert sein soll, dient ua der Riskoausschluss nach Art 7.10.2 AHVB 2003; der sekundäre Risikoausschluss nach Bes.Bed. Nr. 22 stellt nach dem Verständnis eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers ganz offensichtlich darauf ab, dass nur jene Schäden vom Versicherungsschutz umfasst sein sollen, die erst zu einem Zeitpunkt eintreten, in dem das Fahrzeug die Sphäre des Unternehmers zur Gänze verlassen hat; dies war aber bei Durchführung der Probefahrt durch einen Mitarbeiter der Klägerin nicht der Fall, gehörte dies doch zu einem als erforderlich angesehenen Teil der Überprüfung nach § 57a KFG


Schlagworte: Versicherungsrecht, Betriebshaftpflichtversicherung, Risikoausschluss, Kfz-Werkstatt, Pickerl, Probefahrt
Gesetze:

 

Art 7 AHVB 2003, Bes.Bed. Nr. 22, § 57a KFG

 

GZ 7 Ob 204/15y, 16.12.2015

 

Zwischen den Streitteilen bestand eine Betriebshaftpflichtversicherung, der ua die Allgemeinen und Ergänzenden Allgemeinen Bedingungen für die Haftpflichtversicherung (AHVB 2003 und EHVB 2003) der A***** Versicherungs-AG und die Besondere Bedingung ***** Nr 22 Kfz-Reparaturbetriebe, Schäden an Kundenfahrzeugen außerhalb der Betriebsstätte (in der Folge: „Bes.Bed. Nr. 22“), enthalten in der Besonderen Bedingung Nr. 5520 O***** - Kfz-Betriebe, zugrunde lagen.

 

Art 7 AHVB 2003 lautet auszugsweise:

 

„Artikel 7

 

Was ist nicht versichert? (Risikoausschlüsse)

 

 

3. Die Versicherung erstreckt sich nicht auf Schadenersatzverpflichtungen auf Grund des Amtshaftungs- (BGBl. Nr. 20/1949) und des Organhaftpflichtgesetzes (BGBl. Nr. 181/1967), beide in der jeweils geltenden Fassung.

 

 

10. Die Versicherung erstreckt sich nicht auf Schadenersatzverpflichtungen wegen Schäden an

 

 

10.2 beweglichen Sachen, die bei oder infolge ihrer Benützung, Beförderung, Bearbeitung oder einer sonstigen Tätigkeit an oder mit ihnen entstehen;

 

...“

 

Abschnitt B Z 3 EHVB 2003 lautet:

 

„Kraftfahrzeug-Reparaturwerkstätten und ähnliche Betriebe

 

Abweichend von Art. 7, Pkt. 3. AHVB erstreckt sich der Versicherungsschutz auch auf Schadenersatzverpflichtungen auf Grund des Amtshaftungsgesetzes (BGBl. Nr. 20/1949) wegen Personen- oder Sachschäden im Zusammenhang mit Begutachtungen nach § 57a Kraftfahrgesetz (BGBl. Nr. 267/1967), beide in der jeweils geltenden Fassung.“

 

Die Bes. Bed. Nr. 22 lautet auszugsweise:

 

„1. Der Versicherungsschutz bezieht sich abweichend von Art. 7, Pkt. 10.2 AHVB auch auf Schadenersatzverpflichtungen wegen Beschädigung oder Vernichtung bearbeiteter Fahrzeuge, sofern diese Schäden nach Übernahme des Fahrzeuges durch den Kunden und nachdem das Fahrzeug die Betriebsstätte verlassen hat, eingetreten sind.

 

Unter Fahrzeuge im Sinne der nachstehenden Bestimmungen sind Kraftfahrzeuge und Anhänger im Sinne des Kraftfahrgesetzes (BGBl. Nr. 267/1967) in der jeweils geltenden Fassung zu verstehen.

 

...“

 

Unter Art 7.1.1 AHVB 2003 war als Risikoausschluss eine Herstellungs-, Lieferungs- und Montageklausel vereinbart.

 

OGH: Die allgemeine Umschreibung des versicherten Risikos erfolgt durch die primäre Risikobegrenzung. Durch sie wird in grundsätzlicher Weise festgelegt, welche Interessen gegen welche Gefahr und für welchen Bedarf versichert sind. Auf der zweiten Ebene (sekundäre Risikobegrenzung) kann durch einen Risikoausschluss ein Stück des von der primären Risikoabgrenzung erfassten Deckungsumfangs ausgenommen und für nicht versichert erklärt werden. Der Zweck liegt darin, dass ein für den Versicherer nicht überschaubares und kalkulierbares Teilrisiko ausgenommen und eine sichere Kalkulation der Prämie ermöglicht werden soll. Mit dem Risikoausschluss begrenzt also der Versicherer von vornherein den Versicherungsschutz, ein bestimmter Gefahrenumstand wird von Anfang an von der versicherten Gefahr ausgenommen.

 

Nach stRsp ist in der Betriebshaftpflichtversicherung die Ausführung der bedungenen Leistung nicht versichert. Es entspricht nämlich einem Grundgedanken einer solchen Haftpflichtversicherung, das Unternehmerrisiko im Allgemeinen nicht auf den Versicherer zu überwälzen. Zur Absicherung des Grundsatzes, dass die bedungene Leistung des Versicherungsnehmers nicht versichert sein soll, dient ua der Riskoausschluss nach Art 7.10.2 AHVB 2003.

 

Das schadenauslösende Verhalten (behauptetes unsachgemäßes Verschließen der Motorhaube) und der Schadeneintritt am Fahrzeug des Kunden erfolgten im Rahmen einer Überprüfung nach § 57a KFG, die im Anlassfall auch eine Probefahrt einschloss. Demnach ist der Risikoausschluss des Art 7.10.2 AHVB 2003 verwirklicht.

 

Damit ist noch die Reichweite des von der Klägerin behaupteten sekundären Risikoeinschlusses nach Bes.Bed. Nr. 22 zu prüfen. Dabei räumt sie selbst ein, dass die Voraussetzungen dafür im vorliegenden Fall an sich nicht erfüllt sind. Sie meint jedoch, es könne keinen Unterschied machen, wenn der auf dem unzureichenden Verschließen der Motorhaube beruhende Schaden im Zuge einer Probefahrt oder nach Übergabe des Fahrzeugs an den Kunden eingetreten sei. Dem ist zu entgegnen, dass diese Bestimmung nach dem Verständnis eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers ganz offensichtlich darauf abstellt, dass nur jene Schäden vom Versicherungsschutz umfasst sein sollen, die erst zu einem Zeitpunkt eintreten, in dem das Fahrzeug die Sphäre des Unternehmers zur Gänze verlassen hat. Dies war aber bei Durchführung der Probefahrt durch einen Mitarbeiter der Klägerin nicht der Fall, gehörte dies doch zu einem als erforderlich angesehenen Teil der Überprüfung nach § 57a KFG. Die Klägerin kann sich daher nicht mit Erfolg auf den sekundären Risikoeinschluss nach Bes.Bed. Nr. 22 berufen.