OGH: Unterhaltsbemessung iZm selbstständig Erwerbstätigen
Die in keiner Weise näher konkretisierten, bloß vagen Gewinnhoffnungen nach anfänglichen erheblichen Verlusten sind mit in absehbarer Zukunft mit gewisser Wahrscheinlichkeit zu erwartenden Vermögenszuwächsen nicht vergleichbar; nach neuerer Rsp stellen Privatentnahmen eines selbstständig Erwerbstätigen aus seinem Unternehmen, die durch eine Erhöhung der Bankverbindlichkeiten des Unternehmens finanziert werden, nur solange einen Eingriff in die Vermögenssubstanz des Unternehmens dar, als der Erhöhung der Bankverbindlichkeiten ein Vermögen gegenübersteht; ist dies nicht (mehr) der Fall, entspricht die Situation jener eines (vermögenslosen) unselbstständig Erwerbstätigen, der seinen Lebensunterhalt durch Überziehung seines Girokontos oder Aufnahme eines Privatkredits finanziert; in beiden Fällen ist mangels gegenüberstehenden Vermögens ein Eingriff in die Vermögenssubstanz nicht (mehr) möglich, sodass solche „Privatentnahmen“ (für Unterhaltszahlungen) nicht in die Unterhaltsbemessungsgrundlage einzurechnen sind
§ 94 ABGB, § 231 ABGB
GZ 3 Ob 188/15s, 16.12.2015
OGH: Nach den Feststellungen ist nicht mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit in absehbarer Zukunft damit zu rechnen, dass der Kläger positive Vermögenswerte in der beispielsweise angeführten Form erwirbt. Die in keiner Weise näher konkretisierten, bloß vagen Gewinnhoffnungen nach anfänglichen erheblichen Verlusten sind mit in absehbarer Zukunft mit gewisser Wahrscheinlichkeit zu erwartenden Vermögenszuwächsen nicht vergleichbar.
Davon abgesehen vermag auch die Beklagte in ihrer Revision keine erheblichen Rechtsfragen aufzuzeigen.
Nach stRsp ist für das Einkommen selbstständig Erwerbstätiger nicht der steuerliche, sondern vielmehr der tatsächlich verbleibende Reingewinn und, weil die tatsächliche Verfügbarkeit entscheidend ist, im Fall von den Reingewinn übersteigenden Privatentnahmen grundsätzlich deren Höhe maßgeblich. Tätigt der Unterhaltspflichtige höhere als dem Reingewinn entsprechende Privatentnahmen, greift er nämlich den Stamm seines Vermögens an. Dabei kann es keinen Unterschied machen, ob der Unterhaltsschuldner die den Reingewinn seines Unternehmens übersteigenden Privatentnahmen aus Reserven oder Rückstellungen oder durch eine Erhöhung seiner Bankschulden finanziert.
Nach neuerer Rsp stellen Privatentnahmen eines selbstständig Erwerbstätigen aus seinem Unternehmen, die durch eine Erhöhung der Bankverbindlichkeiten des Unternehmens finanziert werden, nur solange einen Eingriff in die Vermögenssubstanz des Unternehmens dar, als der Erhöhung der Bankverbindlichkeiten ein Vermögen gegenübersteht. Ist dies nicht (mehr) der Fall, entspricht die Situation jener eines (vermögenslosen) unselbstständig Erwerbstätigen, der seinen Lebensunterhalt durch Überziehung seines Girokontos oder Aufnahme eines Privatkredits finanziert; in beiden Fällen ist mangels gegenüberstehenden Vermögens ein Eingriff in die Vermögenssubstanz nicht (mehr) möglich, sodass solche „Privatentnahmen“ (für Unterhaltszahlungen) nicht in die Unterhaltsbemessungsgrundlage einzurechnen sind.
Ein den Fremdmitteln (hier Privatdarlehen der Geschäftspartner) gegenüberstehender zukünftiger Vermögenswert wurde nicht festgestellt. Der von der Beklagten ins Treffen geführte Vermögenswert, der den Fremdmitteln gegenüberstehen soll, ist der Wert des Geschäftsanteils des Klägers. Dieser ist angesichts der bloß vagen Gewinnaussichten und der hohen festgestellten Bilanzverluste als äußerst gering anzusehen. Seine Veräußerung wäre überdies mit dem Verlust der angeblichen Gewinnaussichten und letztlich eines Teils der Existenzgrundlage des Klägers gleichzusetzen. Dass das Berufungsgericht unter den gegebenen Umständen die aus Privatdarlehen zugeflossenen Mittel mangels gegenüberstehenden gegenwärtigen Vermögenswerts nicht in die Unterhaltsbemessungsgrundlage einbezogen hat, ist daher jedenfalls vertretbar.
Muss für konkrete vergangene Zeitabschnitte geprüft werden, ob das Einkommen des Unterhaltspflichtigen seiner Unterhaltsverpflichtung entsprochen hat, ist die tatsächliche finanzielle Leistungsfähigkeit des Unterhaltsschuldners genau für diese Unterhaltsperioden zu ermitteln. Soll jedoch der Unterhalt für die Zukunft festgesetzt werden, so ist bei selbstständig Erwerbstätigen regelmäßig das Durchschnittseinkommen der letzten drei der Beschlussfassung vorangehenden Wirtschaftsjahre festzustellen. Bei der Unterhaltsbemessung für die Zukunft ist nämlich immer maßgebend, ob das in der Vergangenheit erzielte Einkommen darauf schließen lässt, dass der Unterhaltspflichtige auch weiterhin ein Einkommen in ähnlicher Höhe erzielen werde. Grundsätzlich ist auf die konkreten Umstände des Einzelfalls Rücksicht zu nehmen und hängen die heranzuziehenden Beobachtungszeiträume von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab.
Im vorliegenden Fall ist der rückständige Unterhalt für den Zeitraum 1. 11. 2013 bis 31. 1. 2014 sowie der laufende Unterhalt ab 1. 2. 2014 zu beurteilen. Es bildet keine vom OGH im Interesse der Rechtssicherheit aufzugreifende Fehlbeurteilung, wenn die Vorinstanzen hier die für 2013 und die etwa in gleicher Weise für 2014 zu erwartenden Verhältnisse zugrunde legen und nicht auf die Jahre 2011 und 2012 zurückgreifen, die jeweils durch Sondersituationen (Beendigung hoher Einkünfte durch Wegfall einer Einkunftsquelle sowie Anlaufverluste) gekennzeichnet waren.