02.02.2016 Verfahrensrecht

OGH: Obsorgeentziehungsverfahren – zur Parteistellung und Rechtsmittelbefugnis mutmaßlicher unehelicher Väter, deren Vaterschaft noch nicht rechtskräftig festgestellt ist

Mit dem Verweis auf sein Kontaktrecht wird vom Revisionsrekurswerber ein Eingriff in seine Rechtssphäre durch den erstgerichtlichen Beschluss nicht aufgezeigt; sein Kontaktrecht zum Kind wird durch die Obsorgeentscheidung nämlich nur mittelbar berührt und begründet diese daher nicht seine Parteistellung, auch nicht unter dem Gesichtspunkt des Art 8 EMRK


Schlagworte: Außerstreitverfahren, Obsorgeentziehungsverfahren, Rechtsmittel, Partei, mutmaßlicher Vater
Gesetze:

 

§ 2 AußStrG, § 145 ABGB, § 177 ABGB, § 178 ABGB

 

GZ 7 Ob 149/15k, 19.11.2015

 

OGH: Bei der Rechtsmittellegitimation geht es um die Frage, welcher Personenkreis abstrakt zur Erhebung eines Rechtsmittels befugt ist. Bei Rechtsmitteln gegen eine in der Hauptsache ergangene Entscheidung steht die Rechtsmittellegitimation grundsätzlich nur den Parteien des Verfahrens zu. Der Revisionsrekurswerber ist im vorliegenden Verfahren, in dem der Kinder- und Jugendhilfeträger die Entziehung der Obsorge der allein obsorgeberechtigten Mutter und deren Übertragung an sich selbst anstrebt, nicht formelle Partei (§ 2 Abs 1 Z 1 und 2 AußStrG) oder Legalpartei (§ 2 Abs 1 Z 4 AußStrG), sodass er seine Parteistellung nur darauf stützen könnte, dass seine rechtlich geschützte Stellung durch die begehrte oder vom Gericht in Aussicht genommene Entscheidung unmittelbar beeinflusst würde (§ 2 Abs 1 Z 3 AußStrG; materielle Parteistellung). Diese Bestimmung ist eng auszulegen. Ob eine rechtlich geschützte Stellung beeinflusst wird, ergibt sich aus dem materiellen Recht. Unmittelbar beeinflusst ist eine Person dann, wenn die in Aussicht genommene Entscheidung Rechte oder Pflichten dieser Person ändert, ohne dass noch eine andere Entscheidung gefällt werden muss. Reflexwirkungen allein reichen nicht aus, eine materielle Parteistellung zu begründen. Die Berührung bloß wirtschaftlicher, ideeller oder sonstiger Interessen genügt nicht. Die Zustellung eines Beschlusses begründet für den Empfänger allein noch keine Rechte. Die Rechtsmittellegitimation muss allgemein - wie die Beschwer - bereits im Zeitpunkt der Erhebung des Rechtsmittels vorliegen.

 

Gem § 145 Abs 1 ABGB wird die Vaterschaft durch persönliche Erklärung in inländischer öffentlicher oder öffentlich-beglaubigter Urkunde anerkannt. Das Anerkenntnis wirkt (in formeller Hinsicht) ab dem Zeitpunkt der Erklärung, sofern die Urkunde oder ihre öffentlich-beglaubigte Abschrift dem Standesbeamten zukommt.

 

Das dem Standesbeamten zugekommene Vaterschaftsanerkenntnis wurde vom Revisionsrekurswerber erst nach der Erhebung des Rekurses abgegeben. Damit stand er im Zeitpunkt der Rekurserhebung noch nicht als Vater fest. Zu prüfen ist daher, ob ihm in diesem Zeitpunkt als bloß mutmaßlichen Vater materielle Parteistellung zukam.

 

Ist ein Elternteil allein - wie hier aufgrund der unehelichen Geburt die Mutter (§ 177 Abs 2 ABGB) - mit der Obsorge des Kindes betraut und wird diesem die Obsorge entzogen, so hat das Gericht gem § 178 Abs 1 zweiter Satz ABGB unter Beachtung des Wohles des Kindes zunächst zu prüfen, ob der andere Elternteil mit der Obsorge zu betrauen ist. Im vorliegenden Fall war mangels Feststellung seiner Vaterschaft eine Übertragung der Obsorge auf den Revisionsrekurswerber durch das Erstgericht nicht möglich und wäre dies auch bei Rekurserhebung noch nicht möglich gewesen; dies wurde von ihm in seinem Rekurs auch nicht angestrebt.

 

Mit dem Verweis auf sein Kontaktrecht wird vom Revisionsrekurswerber ein Eingriff in seine Rechtssphäre durch den erstgerichtlichen Beschluss nicht aufgezeigt. Sein Kontaktrecht zum Kind wird durch die Obsorgeentscheidung nämlich nur mittelbar berührt und begründet diese daher nicht seine Parteistellung, auch nicht unter dem Gesichtspunkt des Art 8 EMRK.

 

Auch sonst liegt nach dem Akteninhalt kein unmittelbarer Eingriff in die Rechtssphäre des Revisionsrekurswerbers als damals bloß mutmaßlicher Vater durch die erstinstanzliche Beschlussfassung vor, sodass er im Zeitpunkt der Rekurserhebung nicht unter den Parteibegriff des § 2 Abs 1 Z 3 AußStrG fiel, weshalb ihm in diesem Zeitpunkt die Rechtsmittellegitimation fehlte.

 

Die stRsp des OGH, wonach eine nach der Beschlussfassung der Vorinstanzen eingetretene Entwicklung im Hinblick auf das Kindeswohl auch noch im Rechtsmittelverfahren zu berücksichtigen ist, betrifft jedenfalls hier nicht die Frage der Rechtsmittellegitimation. Im Revisionsrekurs wird nicht aufgezeigt, welche für die Obsorgeentscheidung relevante Änderung in der Sachverhaltsgrundlage durch die Anerkennung der Vaterschaft eingetreten sein sollte. Eine Übertragung der Obsorge auf den Revisionsrekurswerber wird nicht angestrebt. Im erstinstanzlichen Verfahren wurde er ohnedies als „Vater“ angehört.